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Gymnasium Bamberg

„Aufstieg aus der Asche“


Konnte der legendäre Mantel der Heiligen Kunigunde Bamberg im Zweiten Weltkrieg vor Bombenangriffen bewahren? Blieb die Stadt wirklich „weitgehend vor Kriegsschäden verschont“, wie es so oft zu lesen ist? Ganz einfach ist die Beantwortung dieser Frage nicht. Dies versuchte Eva-Ute Jacob („Erlebnis Weltkulturerbe“) dem Geschichtskurs 1g3 gleich zu Beginn der Führung zu vermitteln. Verglichen mit der Nachbarstadt Würzburg, bei der 90% der Bausubstanz der Innenstadt zerstört wurde und die beim größten Luftangriff über 5000 Tote zu beklagen hatte, oder mit Nürnberg, das 28 Luftangriffen ausgesetzt war und dessen Innenstadt zu 95% zerstört wurde, kam die kleine, industriell und strategisch relativ unbedeutende Gärtnerstadt Bamberg verhältnismäßig „glimpflich“ davon. Und dennoch waren es am Ende 3946 beschädigte Gebäude und 378 Tote, davon allein 54 in den Stollen des Stephansbergs unterhalb des E.T.A.-Schulgeländes. Kinder und Jugendliche schliefen Nacht für Nacht neben einem gepackten Köfferchen, um bei jedem Alarm für den Luftschutzkeller gewappnet zu sein – und lernten aus diesen negativen Erfahrungen, so eine Zeitzeugin, wie wichtig es heute ist, politisch zu sein. 6800 obdachlos gewordene Menschen sowie zahlreiche Flüchtlinge, Vertriebene und „Displaced Persons“ ließen Bamberg in kürzester Zeit von knapp 60.000 auf über 100.000 Einwohner/innen anwachsen, die dann auch alle versorgt sein wollten.
Was das hieß, versuchte Frau Jacob den Jugendlichen beim Gang in Richtung Kaulberg, wo es auch „wirksame Treffer“ gegeben hatte, möglichst hautnah zu vermitteln. Trinkwasser, Nahrung, Heizmaterial, allein daran mangelte es überall, man musste improvisieren, organisieren, tauschen, vielleicht auch stehlen und betrügen - oder als Alternative hungern, dürsten und frieren. „Was ist unter einer Brücke?“ Eine scheinbar simple Frage auf der Unteren Brücke, die sich am frühen Morgen nüchtern und unscheinbar, fernab von jeglicher Partystimmung präsentierte. „Wasser“, so die spontane Antwort. Wer denkt schon an die Gas- und Stromleitungen, die infolge der Zerstörung der Flussübergänge durch die Bamberger/innen selbst nun das gesamte Berggebiet unversorgt ließen? Und das alles nur, um das Vordringen der Alliierten zu verlangsamen, die sich von dem nur 1,80m tiefen Wasser nicht aufhalten ließen . Mit Blick auf die Lange Straße (in NS-Zeit „Adolf-Hitler-Straße“) erfuhr die Gruppe, dass die in Debring stationierte deutsche Artillerie für die massiven Einschläge im Gebiet des Obstmarktes und Grünen Marktes verantwortlich gewesen war. Deutlich wurde beim Vergleich der fotografisch festgehaltenen Zerstörungen mit dem heutigen Stadt- und Straßenbild, dass in diesem Teil der Innenstadt vieles umgestaltet wurde. Und auch das Rätsel um den Brunnen am Obstmarkt wurde gelüftet: Seine seltsame kesselartige Form, mit den Stufen aus Granitstelen an ein Amphitheater erinnernd, soll nicht nur Touristen Sitzplätze und Kindern Gelegenheit zum Herumspringen bieten, sondern auch an einen Bombenkrater erinnern und auf das Ausmaß der Zerstörung in diesem Viertel hinzuweisen. Nur wenige Bauwerke wurden in Bamberg in traditioneller Architektur wieder aufgebaut, neue Häuser mussten in möglichst kurzer Zeit errichtet, ganze Wohngebiete erschlossen und die Infrastruktur zweckmäßig ausgebaut werden. Es ging primär darum, die schlimmste Not zu lindern, auch im privaten Bereich. Dies geschah oft durch Geschäfte auf dem Schwarzmarkt, der einen seiner Standorte in der Nähe der Harmoniegärten hatte. „Brauchst du Nylonstrümpfe?“- „Hast du Kinderschuhe?“ – „Schnell weg, Polizei!“ Kurz angespielte Szenen wie diese vermittelten einen lebendigen Eindruck dieser Tauschgeschäfte, die häufig von Kindern übernommen wurden. Aber auch ihnen hätte im schlimmsten Fall wegen des Unterlaufens der allliierten Zwangsbewirtschaftung die Todesstrafe gedroht. Erst mit der Währungsreform 1948 kamen viele bislang zurückgehaltenen Waren wieder ganz legal in die Regale, die „Zigarettenwährung“ verlor an Bedeutung.
Was veränderte sich noch? Aus dem anfänglichen Fraternisierungsverbot mit dem „Feind“ bzw. „Nazi“ wurde, nicht zuletzt durch den Kontakt mit den deutschen „Fräuleins“, ein immer stärkeres Miteinander. Aus deutscher Sicht orientierte man sich in vielen Bereichen des Lebens zunehmend an der amerikanischen Leitkultur, die über das „Umerziehungsprogramm“ der Besatzungssoldaten gerade für die Jugend neue Orientierung bot. Orte der Begegnung, der kulturellen Bildung und der Demokratisierung waren die „Amerikahäuser“, für deren Einrichtung sich die Witwe des Hitler-Attentäters, Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg, in Bamberg stark machte. Und so endete diese Stadtführung dann auch vor der Villa Dessauer, dem früheren Bamberger „Amerikahaus“.

(Angela Kestler für den Geschichtskurs 1g3)