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Gymnasium Bamberg

Paininsula am E.T.A

 

            Inhalt und Darsteller

 

 

KRITIK

„Wenn ihr wüsstet, was ich weiß, dann würdet ihr wissen, was ihr jetzt nicht wisst, oder was weiß ich!“
Diese Gedanken eines Philosophen bietet den auf einer einsamen Insel gestrandeten Schiffbrüchigen augenscheinlich zwar keine Hilfe, passen aber zu den Wirrnissen des Überlebenskampfes der 10 Gestrandeten und sicherlich auch zu der Frage, was es mit dem Kühlschrank zu tun hat, der mitten über Nacht auf der Insel auftaucht.
Zumindest die Antwort auf diese Frage lässt sich am Ende des kurzweiligen Besuchs des Theaterstücks „Paininsula“ mit nach Hause nehmen und ebenso wissen die Zuschauer, dass es sich bei allen Mitgliedern der Theatergruppe der Mittelstufe um sehr spielfreudige Schüler handelt, denen es gelingt, ihre Rollen überzeugend auszufüllen und als gleichgestelltes Team ein lustiges, aber durchaus auch tiefsinniges Stück auf die Bühne zu bringen.

So muss sich die Gruppe der Gestrandeten in einem puristisch gestalteten, witzigen Bühnenszenario zu Beginn erst einmal sortieren und erspäht die aus Pappe angedeutete Landschaft rund um Palmen, Höhle und Kokosnuss ebenso mit Argwohn wie die Pappklippe (des Vergessenen) oder das ach so pittoreske blaue Plastikfolienmeer.
Ebenso argwöhnisch begutachtet man zunächst natürlich die Mitgestrandeten. Eine bunte Mischung quer durch die Gesellschaft tut sich da auf. Eine elegante Lady (in sich ruhend und stilvoll präsentiert von Anna Konerding) findet sich gestrandet neben einer aufgeweckten, stilbewussten Assistentin, die als erstes ihren Schmuck vermisst (lebendig und energisch von Elena Huttner interpretiert), dann aber umso glücklicher ist, ihre Chefin wiederzufinden, die von Maria-Sophia Neef überzeugend als karrierebewusste, intelligente, aber auch etwas zu standesbewusste Zahnärztin dargestellt wird. Dass es sich bei Assistentin und Zahnärztin eigentlich um ein Paar handelt, wird von den beiden im Laufe des Stücks immer wieder mit kleinen Gesten unaufdringlich, aber konsequent umgesetzt – eine reife Leistung.
Zum Wortführer der Gruppe schwingt sich dann zur Überraschung zunächst nicht der stramme General Christoph Diroll auf, der glaubhaft energisch und lebenserfahren ein bisschen Hoffnung auf ein gemeinsames Überleben verspricht, sondern zunächst ein wortgewandter Schriftsteller (eloquent und beredt verkörpert von Leo Bär), der allerdings - äußerst unerwartet - gleich wieder über eine Klippe stürzt, womit sein Auftritt schon nach 10 Minuten ein jähes Ende findet. Zum Glück begegnet einem Leo Bär dann im weiteren Verlauf des Geschehens noch in der Rolle eines Matrosen - aber dazu später.
Zunächst ergreift jetzt ein Manager das Kommando. Leo Beyer persifliert hier überzeugend einen gehetzten, unsympathischen Karrieristen, der sich im Laufe des Überlebenskampfes zum Herrscher über das gestrandete Inselvolk aufschwingt. Dass den Manager zwischenzeitlich der (Größen-) Wahnsinn ergreift, macht Leo Beyer bemerkenswert anschaulich und amüsant deutlich. Zum Glück gibt es dann aber noch den bodenständigen Schreiner, der feststellt: „Wir leben deshalb noch, weil die meisten von uns wenigstens über einen Funken Verstand verfügen.“ Stefan Pachidis gibt einen gelassenen, in sich ruhenden, aber auch tatkräftigen Schreiner, der im Geheimen auf seine Weise an der Rückkehr in die Zivilisation arbeitet und ein Floss baut.
Auf diesem Floß möchten dann auch die Gruppe um einen Lehrer und seine Familie zurückkehren, die sich aber zunächst nach internen Querelen der Gestrandeten ihr eigenes Insel-Idyll gemäß Rousseaus Forderung „Zurück zur Natur“ aufbauen. Sehr anschaulich und treffend verkörpert hier Lukas Hein den Typus des Universal-Genies, sprich Lehrers, der umgeben ist von seiner nicht weniger intelligenten, hübschen Frau, die Marcia Dias Ribeiro auch in einer eher zurückhaltenden Figur sehr präsent vermittelt. Katharina Siegl komplettiert das Familienidyll herrlich anschaulich als Smombie-Teenager und fördert nicht nur aufgrund der unbedarften Darstellung und des treffenden Blicks auf ihr Handy so manchen Lacher zutage.
Kompliziert wird die Situation auf der Insel innerhalb der Gruppe erst wirklich, als unvermittelt über Nacht ein Kühlschrank als Zeichen der Zivilisation auftaucht. Seltsamerweise bringen diesen vier, im einheimischen Insel-Look verkleidete Animationsinsulaner nächtens auf der Insel vorbei, weil sie diesen Müll nicht auf der eigenen Insel abladen wollen. Luis Drechsel spielt hier sehr unterhaltsam den Vorzeige-Insulaner, der selbst in seiner Freizeit kaum mehr aus seiner Rolle findet und weiterhin Insulanisch spricht, und der erst von den anderen drei „Eingeborenen“, Emil Onnen, Hannes Schmidt und Luciano Dias Ribeiro, die gleichfalls sehr lustig zu spielen verstehen, an seine wahre Identität erinnert werden muss.
Unter den Gestrandeten entwickelt sich im Folgenden nun ein Streit, wie denn mit dem Kühlschrank, dem sich unerwartet weitere Genossen hinzugesellen, zu verfahren sei.
Diese Frage stellen sich in weiteren - mittels eines einfach projizierten Mondes - stilvoll inszenierten Nächten auf der Insel auch drei Matrosen, die eigentlich auf die Insel gekommen sind, um ihrerseits „Problemmüll“ abzuladen. Leo Bär, Vincent Bergmann und Leonhard Eder führen in diesen kurzen Gastauftritten ernsthaft und stimmig die Probleme der modernen Zivilisation vor Augen.
Vertieft werden die Fragen um Hektik, Stress und modernes (Zeit-)Management dann tagsüber aber auch noch durch drei nacheinander auf der Insel bewusst eine Auszeit suchende Zivilisationsflüchtlinge: Vincent Bergmann spielt hier sehr anschaulich und glaubhaft die Rolle des sinnierenden Philosophen, Zoe Rigopolous übernimmt überzeugend den Part eines coolen, modernen Inselforschers, der letztlich die Rettung verspricht. Die aber gar nicht mehr nötig ist, als zuletzt Leonhard Eder treffsicher einen typischen Reiseleiter verkörpernd mit einer Horde selfiesüchtiger Touristen auftaucht, die sich mit den notleidenden Gestrandeten sensationsheischend in Pose werfen. Und damit kommt zuletzt auch noch einmal richtig Bewegung auf die Bühne, die im Vorfeld an mancher Stelle lediglich durch Freeze-Momente angedeutet wurde.
Zuletzt bleibt dem Zuschauer also nicht nur ein kritischer Blick auf viele Errungenschaft unserer modernen Zeiten, sondern auch die Erinnerung an einen sehr unterhaltsamen Theaterabend, den Christian Schreiner mit der Mittelstufengruppe souverän inszeniert und umgesetzt hat. Die Betonung der deutlichen Sprachgestaltung sowie das reduzierte und wirklich witzige Bühnenbild sind auch in dieser Inszenierung wieder äußerst positiv aufgefallen – dass die Inselbewohner nach drei Wochen Überlebenskampf immer noch Stöckelschuhe tragen, ist sicherlich der Zivilisationskritik geschuldet.

Bericht und Fotos: A.Kießling