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Gymnasium Bamberg

Peer Gynt - Hier ist verdammt weit weg

{tab Programm}

Was sind wir Menschen?
Bloß Flaum und Rauch, leicht fügt man sich jeglichem Schick und Brauch.
Wonach soll man trachten?


König der Welt?
Wer bin ich? Was sind meine Ziele, Wünsche und Vorstellungen von meinem Leben?
Wo geht es lang – und was macht es mit mir?
Was machen diese Fragen mit Peer Gynt?
Peer Gynt, in seinem Dorf als Nichtsnutz  und Angeber verrufen, träumt davon König der Welt zu werden, und verlässt seine Mutter und seine große Liebe Solveigh, um ins Leben hineinzugehen. Auf seinen Wegen und Irrwegen wird er mit den unterschiedlichsten Versuchungen konfrontiert und entfernt sich immer weiter von seinen Wurzeln.
Auf der Suche nach Orientierung und nach einem richtigen Weg in einer Welt, in der alles möglich scheint, folgen 16 SchülerInnen Peer Gynts Wegen und Irrwegen nach, indem sie in verschiedenste Rollen schlüpfen und unterschiedliche Facetten der Figuren und des Daseins aufzeigen. Sie stellen Peer Gynts Weg in groben Zügen nach und unterbrechen fragend – mit eigenen Texten und Überlegungen - seine Suche nach sich selbst.
Was sie gefunden haben und was von Peer Gynt übrig bleibt? Sehen sie selbst!

Wonach soll man trachten?
Man selbst zu sein des Pudels Kern
Auf sich und seins nur soll man achten?!
Genug? Sich selbst?

{tab Bilder}

Bilder von der Samstagsvorstellung

Fotos: St. Thienel

 

{tab Flyer}

Programmheft
Flyer1  Flyer1  Flyer1  Flyer1 

 Download

{tab Kritik}

Kritik

Peer Gynt – Hier ist verdammt weit weg

Wonach soll man trachten?

Peer Gynt fragt. Er fragt sich, fragt nach dem Warum, dem Was und dem Wohin. Er fragt sich, ohne zu wissen, wer dieses „sich“ ist und sucht danach, wohin dieses „sich“ gehen könnte. Fragen über Fragen.
16 Schülerinnen und Schüler der Mittelstufenbühne haben sich mit ihrer Theaterlehrerin Anja Kießling zur Aufgabe gemacht, Peer auf der langen Suche nach seinem Ich zu begleiten und zeigten dem zahlreich erschienenen Publikum die Welt des Wirklichkeitsflüchtlings in eindrucksvollen Bildern und Szenen.

Als Henrik Ibsen sein dramatisches Gedicht 1867 schrieb, schuf er einen Helden, der an der Fülle der Möglichkeiten, die ihm das Leben bietet, beinahe ertrinkt. Auch in der Fassung von Beate Rüters  will Peer alles, will hoch hinaus und findet am Ende doch äußerst wenig. Auf der Suche nach seinem Ich verliert er sich zusehends. Während Hamlet über den Sinn des Lebens mit einem Totenschädel in der Hand philosophiert, hält Peer eine Zwiebel, die Schicht über Schicht Einblicke in ein aufgerissenes Ich bietet, aber eben doch keinen Kern.

Dass Peer nicht weiß, wer er ist, oder sein möchte, wird auf der Bühne durch die geschickte Spaltung der Rolle in drei Spieler verbildlicht, die die verschiedensten Facetten Peers überzeugend  darstellen. Emil Scheibke verkörpert den Außenseiter der Dorfgemeinschaft, der mit wilden Geschichten nach der Anerkennung der anderen sucht, sehr überzeugend. Pascal Sauer, Tibor Vaaßen und Benedikt Mattenklodt stehen ihm dabei als kraftvolle Anführer der Dorfgemeinschaft energisch entgegen. Michael Müller-Ostens Peer ist eher ruhiger, träumerischer, während Marian Pscherer die Titelrolle übernimmt, wenn diese sich zwischen Größenwahn und Verzweiflung zu verlieren droht. Allen drei Schauspielern gemeinsam ist ihre Fähigkeit, die Zerrissenheit Peers mit enormer Präsenz und einfühlsamem Spiel zu verdeutlichen.

Es ist aber nicht nur Peer, der Schwierigkeiten hat, den geraden Weg zu gehen, auch seine Mutter Aase (sehr emotional und konzentriert Laura Slovacek, Henrike Plötner und Maria Kroack) schwankt oft zwischen Liebe und Verständnis gegenüber ihrem Sohn einerseits und Tadel und Verzweiflung ob seiner unvernünftigen Taten andererseits. Beispielsweise raubt Peer seine alte Liebe Ingrid von ihrer Hochzeitsfeier, nur um sie dann doch sitzen zu lassen. Catharina Döring weiß in dieser Rolle durch unaufgeregtes, reifes Spiel zu überzeugen. Ebenso wie Peer kein Teil der Dorfgemeinschaft ist Solveig, die Pastorentochter, die versucht -zwischen Gehorsam zu ihrem Vater und der wachsenden Liebe zu Peer- ihren Weg zu finden. Dieses Hin- und Hergerissensein zeigt Lorena Kühne in der Szene, in der sie den Geflohenen im Wald besucht, in beeindruckender Weise: zwar ganz ohne Worte aber dafür mit vielsagenden, tiefen Blicken. Die beiden anderen Solveigs, Lisa Jakobi und Dinah Schüpferling, tragen ebenso zu der Vielschichtigkeit der Figur mit konzentriertem und differenziertem Spiel bei.

Peer wäre aber nicht Peer, wenn er sich für die naheliegende Lösung entscheiden würde. Solveig schiebt er beiseite und findet sich tiefer im Wald in der Welt der grünen Trolle wieder. Tut er das wirklich oder hat der Blick durch die grünen Scherben, nein Diamanten!, ihn gar in eine Traumwelt gleiten lassen? Jedenfalls muss er sich gegen eine wilde Horde von aggressiven Trollen stellen, die das gesamte Ensemble mit großem Spaß und unbändiger Spielfreude darstellt. Der äußerst erhabene Trollkönig, herrlich souverän und zugleich verletzlich von Dominik Rögner verkörpert, würde Peer ja in sein Reich aufnehmen, wenn dieser sich denn endlich selbst genügen und zudem sein entzückendes Töchterchen heiraten würde. Als Trolltochter läuft Laura Slovacek zur Höchstform auf und genießt es sichtlich, ihrem komödiantischen Talent freie Bahn zu lassen und Peer unter Druck zu setzen. Als Peer auch noch Verantwortung für ein eilig herbeigeborenes Trollkind übernehmen soll, ergreift er die Flucht nach Amerika.

Hier im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und der alternativen Fakten kann Peer endlich einmal so etwas wie Zufriedenheit finden, denn inspiriert und angeleitet durch den Amerikaner (überlegen gestaltet von Henrike Plötner) kommt er zu materiellem Erfolg. Dass dieser auf Sklavenhandel beruht (als Sklave sehr ergeben Hanna Trusen), kümmert ihn wenig, schließlich hat er schon neue Ziele ins Auge gefasst: „Peersepolis“ gründen und Kaiser werden. Ein Erfolgserlebnis verschafft ihm Professor Begriffenfeldt, indem er zum philosophischen Anführer der Denker erkoren wird. Tibor Vaaßen agiert als überlegt handelnder Professor sehr glaubhaft mit dem gebührenden Ernst.

Peers Odyssee durch Räume und Träume will aber nicht enden. Immer verwirrender und intensiver werden die Episoden mit den Menschen, die ihm begegnen. Er trifft auf den Passagier, der sich zwar freundlich, aber seltsam insistierend gibt (glaubhaft gespielt von Lisa Jakobi). Der Magere (stimmlich und spielerisch überzeugend Lennart Buchholz-Schuster, ebenso die Alternativbesetzung Leopold Keller) und der Knopfgießer (Catharina Döring auch in dieser Rolle durch wohl dosierten Einsatz ihres theatralen Könnens überzeugend) setzen Peer letztlich doch mehr zu, als dieser tragen kann. Am Ende steht er unter dem Druck, beweisen zu müssen, dass er sich wirklich gefunden hat, dass er eigenständig gewesen ist – und wäre es nur, indem er beweisen kann, dass er bewusst gesündigt hat. Kann er das nicht, droht ihm die Vernichtung durch Einschmelzen. Doch auch dieser Beweis seiner Existenz gelingt ihm nicht, und so bietet sich für alle drei Peer-, Solveig- und Aase-Besetzungen ein anderes Ende an – ein sehr geschickter Kniff der Theatergruppe, um die Zerrissenheit der Hauptperson noch stärker hervorzuheben.

Peer Gynts (nicht vorhandener) roter Faden in seinem Leben ist in dieser Inszenierung ein grüner: Grüne Kostümaccessoires und Lichteffekte (Technik: Noah Tuzolana, Jonas Schmittlein, Leonhard Neumann, Vincent Niemetz) tragen ebenso wie die helfenden Hände der Visagistinnen Carlotta Röll, Sonja Rottmann und Nina Röder zu einem stimmigen Gesamtkonzept bei. Anja Kießling bewies äußerst versiertes Geschick, ihr großes Team nicht nur zu individuellen Höchstleistungen, sondern auch zu einer beeindruckenden Ensembleleistung, gerade in den Massenszenen, anzuspornen.

Die Fragen, die Peer sich stellt, sind Fragen, mit denen sich jeder Jugendliche beschäftigt: Welche Möglichkeit von den vielen soll ich denn ergreifen? Werde ich mich finden oder bin ich verloren? Peer verliert sich, aber die Schauspieler und Schauspielerinnen der Mittelstufenbühne haben bewiesen, dass die unbegrenzten Möglichkeiten der spielerischen Beschäftigung mit derart entscheidenden Fragen helfen, vielleicht nicht den Kern der Zwiebel, aber womöglich den des Pudels zu finden. Großer Applaus belohnte eine beeindruckende Leistung der Theatergruppe und ihrer Leiterin.

Christina Morcinek

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