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Gymnasium Bamberg

Bilder einer Vorstellung

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„Oh, wie der Falschheit Außenseite glänzt.“ (Shakespeare)

Fake news waren im postfaktischen Jahr 2016 in aller Munde. Doch eigentlich ist dieses Phänomen nicht nur ein Problem der Medien, auch im Alltag, in unserem Freundeskreis, spielen Unaufrichtigkeit und Falschheit oft eine viel zu große Rolle. Neben der Tatsache, dass 16 Jugendliche nach einer wilden Partynacht plötzlich auf einem Floß aufwachen, ist dies wohl das Hauptproblem der Charaktere in unserem selbstgeschriebenen Theaterstück Bilder einer Vorstellung.
Angelehnt an die Gemälde Das Frühstück der Ruderer von Pierre-Auguste Renoir und Das Floß der Medusa von Théodore Géricault baut sich unser Werk auf und offenbart Ihnen Menschen, die sich an Verhaltensmuster klammern und in der Gesellschaft krampfhaft versuchen, ihren sozialen Status aufrechtzuerhalten. Doch was passiert, wenn die Situation es erfordert, die Masken fallen zu lassen. Wer entscheidet dann eigentlich zwischen wahr und falsch, zwischen gut und böse? Was ist real, was nur Vorstellung? Lassen Sie sich mit uns auf die Menschen in den Bildern ein, und begleiten Sie sie auf ihrer Suche nach einer Wahrheit.  

Unter der Leitung von Frau Morcinek konnten wir unseren Ideen freien Lauf lassen und freuen uns darauf, ihnen am 20./21. Januar 2017 um 19:30 Uhr unsere Arbeit präsentieren zu können.

P-Seminar Theater SpielZeit 15/17

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Bilder von der Generalprobe

 

Bilder von der Premiere

 

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Programmheft

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Kritik

"Bilder einer Vorstellung" – eine beeindruckende Sozialstudie auf der Bühne!
P-Seminar begeistert das Publikum mit einem verstörenden Gemälde der heutigen (?) Jugend

Am Anfang standen zwei Bilder: "Das Frühstück der Ruderer" von Pierre-Auguste Renoir aus den Jahren 1880/1881 und Théodore Géricaults "Das Floß der Medusa", welches der französische Vertreter der Romantik 1819 in Öl auf die Leinwand brachte. Das mächtige, 7,16, x 4,91 Meter messende Bild trug ursprünglich den Titel "Szene eines Schiffbruchs", welchen unsere Protagonisten in unserem Stück auch erleben müssen und damit dem Leben entrissen werden.

Der Rezensent ist schon von der Entstehung des Jugend-Dramas begeistert. Der feinfühlig führenden und lenkenden Hand der Projektleiterin und ambitionierten Theaterenthusiastin Tina Morcinek ist es wohl zu verdanken, das 17 junge Menschen das starre Dasein zweier Kunstwerke auflösen wollen, ihm entgegentreten und dabei ihre eigenen Lebenserfahrungen, Gedanken, Gefühle und Ängste sehr offen und ehrlich mit einfließen lassen.

Liebeskummer, Lebenskrise, Party, Alkohol, Frust, Sex, Neid, Hass, Überheblichkeit, Unsicherheit, Beziehungsstress, Krisen, Eifersucht, Gewalt – alles Schlagwörter, welche die Lebenswelt der jugendlichen Protagonisten auf der Bühne ansatzweise, aber bei weitem nicht vollständig beschreiben.

Eine Feier bei der eher verwöhnten, wohl auch eingebildeten Rahel, glaubwürdig und glänzend in Szene gesetzt von Rebecca Scheibke, steht am Anfang der Handlung. Sie wird am Ende rotzbesoffen vor ihrem eigenen Elend stehend zu Grunde gehen.

Nein – erst schlüpfen die Schauspieler vor dem Publikum in ihre Rollen. Gedanken- und Wortfetzen sind zu hören. Das unheilvolle Ende wird zumindest schon angedeutet. Vom Alltag rutschen die Jugendlichen von ihrem Alltag in die Rolle. Zunächst ein einem uniformen Schwarz gekleidet, tragen sie nunmehr "ihre" Kostüme, werden zur dramatischen Figur der Tragödie, wenn man so hoch greifen möchte. Das Bühnenbild – karg, ein Tisch mit rotem Tuch, an welchem man später feiern wird, und der sich zum sinkenden Boot verwandeln wird, von dem es kein Entrinnen gibt.

Am Anfang steht aber die Party. Soll man hingehen oder nicht? Will man Außenseiter sein oder "dazu gehören"? Wo bleibt das eigene Ich, die Individualität? Kann ich lieben oder will ich nur Sex? Die Liste der Fragen ist lang. Und alle beantworten diese unterschiedlich. Da ist Felicia, ein vom religiösen Fundamentalismus geprägtes Mädchen, welches rein bleiben möchte für Jesus und noch nie auf einer solchen Feier mit Altersgenossen war. Karolina Beli spielt diese Rolle befremdlich und erschreckend authentisch, man möchte das Mädchen schütteln und zu Bewusstsein kommen lassen. Aber sie fühlt sich sicher und ihr Glauben gibt ihr Halt, was einen Achtung zollen lässt. Jack ist genervt von allem, seht sich wohl nach Liebe, aber nicht nach einem Kollektivbesäufnis. Er will nicht darüber diskutieren, was man wohl anziehen müsse, um gut rüber zu kommen. Er hat Sehnsüchte und will auch irgendwie vernünftig sein. Er zollt einem eher fatalistischen Realismus die Ehre, konstatiert die Überbewertung von Freundschaften und Beziehungen, die er sich insgeheim am meisten wünscht. Lars Wunderlich zeigt ein unglaublich dichtes mimisches und gestisches Spiel, mit dem er die innersten Gefühle spürbar nach außen trägt. Joe hingegen ist der totale Macho, nur auf Sex aus, gleichzeitig aber den treuen Partner vortäuschend, der an seinem eigenen pseudomännlichen Getue zu zerbrechen droht. Chris Haffner zeichnet die Figur gekonnt zwiespältig, werden doch seine Unsicherheiten, die durch Geld und Überheblichkeit übertüncht werden sollen, deutlich. Marc Müller als Oli ist das krasse Gegenteil davon. Vor Liebe blind, Rahel mit rosaroter Brille betrachtend, hegt er fern jeglicher Realisierbarkeit einen Wunsch: Seine Liebe soll erhört werden. Mit genauem, die Emotionen verdeutlichendem Rollenverständnis wird hier selbst der versuchte Suizid authentisch auf die Bühne gebracht. Tom, das Scheidungskind, will dazu gehören. Die Mutter hat alles mitgenommen, der Vater sucht einen neuen Job. David Haman wechselt hier ebenfalls sehr ansprechend und mit sauberer Diktion zwischen den verschiedenen Gefühlswelten. Er macht sich etwas unsicher an Mary alias Jule Oeckler heran, die Kurzzeitpartnerin des Playboys Joe. Diese gibt die naive, leicht beeinflussbare Teenagerin, die nicht nur bei ihrer Ankunft in wahrsten Sinne des Wortes in die Scheiße getreten ist, mit genauem und exaktem Spiel. Mia (eine präzise Figurenzeichnung der sympathischen Sarah Wartzack) Dagegen ist Alison, engste Freundin Rahels aus Berlin, mit Alexa Helberg verschroben, pseudocool und eingebildet sehr glaubwürdig realisiert, die Partytante, die ihren Lebensinhalt wohl in Männern (Frauen würde sie auch nehmen), in Sex and Drugs, und im Ablästern über andere sieht. Dahingegen ist Kim Keller als Rose die Feinsinnige, die Liebevolle, die an das Gute im Menschen glaubt, und von Justus - den Niclas Johann als Figur hintergründig und vielschichtig interpretiert, die mit Lügen über das eigene, angeblich so spannende Leben, anderen imponieren will – betrogen wird. Sie wird sich dann in Justus´ besten Freund verlieben, Lennard Römmelt in sehr präziser und eindrucksvoller Darstellung des guten Jungen namens Jonas, wohl extra gebacken für die liebevolle Rose. Der absolute Gegenpart hierzu wird von Johann Berger beängstigend echt und fies dargestellt. Philip, der Sadist, der Machtmensch, der keine Empathie empfindet, anderer gegeneinander ausspielt und auch vor Mord nicht zurückschreckt. Da sind nicht nur die Drogen Schuld, die er konsumiert, sondern auch sein mieser Charakter. Fabian sucht nach Vorbildern, nach einem Freundeskreis und nach sich selbst. Lasse Knipping lässt das Bild eines mit sich und der Umwelt kämpfenden Jugendlichen sehr einfühlsam zum Leben erwecken und überzeugt voll und ganz. Will Clara den Rest der Welt nerven oder ist sie wirklich so? Streberin, Besserwisserin, Klugscheißerin, die sich durch nichts von ihrem Weltbild abbringen lässt (und dieses ist das einzig wahre Weltbild) und überheblich gegenüber allen, die ihr nicht ebenbürtig sind, auftritt. Lilia Rubin geht voll und ganz in ihrer Rolle auf! Finn und Marco (David Turnwald und Felix Balling) sind so genannte "Partycrasher", wollen mit dem Rest der Gäste eigentlich nichts zu tun haben, kennen die Gastgeberin nur flüchtig, wollen nur billig saufen und Spaß haben. Beiden Schauspielern gelingt es äußerst gekonnt, die Balance zwischen verbaler sowie psychischer Aggressivität und "Was-interessieren-mich-meine-Mitmenschen"-Mentalität herzustellen.

Eine Party mit einer explosiven Mischung völlig unterschiedlicher Charaktere. Ein Abend, bei dem die Eskalation und die Gewalt vorprogrammiert sind. Ein Besäufnis mit Drogenkonsum, welches man sich in der Realität nicht wünschen und vorstellen möchte, aber welches wohl sehr nah an der Wirklichkeit angelehnt ist. Die Party ist aus, die Nacht fällt heran. Mit aggressivem Habitus und rasantem Tempo setzt sich mit brutalem Gestus das neue Bild, ein sinkendes Floß, auf dem sich alle befinden, zusammen. Alles wirkt zerstört. Die verzweifelt am Boden Liegenden, langsam nach und nach Erwachenden, die Umwelt als zerstörter Raum, die Menschen in Angst um das eigene Überleben gefangen, weinend und mit sich hadernd die Feinfühligen, Sensiblen, kämpferisch und nach Lösungen suchend die Realisten oder Idealisten, das eigene Überleben über das Leben der anderen stellend die Herrenmenschen, die vor nichts zurückschrecken. Am Schluss scheitern alle. Und für den Zuschauer bleiben die Fragen, welche im Programmheft gestellt werden: Wer entscheidet zwischen wahr und falsch? Was ist gut und was ist schlecht? Was ist real, was ist nur eine Vorstellung?

Ein nachdenklich stimmender, aber unglaublich beeindruckender Theaterabend, der von einer in hohem Maße immensen Vorarbeit des gesamten Teams des P-Seminars zeugt. Die Souffleuse Sofia Schmaus gab dem Ensemble die notwendige Sicherheit bei diesem dichten und schwierig zu realisierendem Werk. Xincheng Miao und der Wahlkurs Komposition unter der Leitung von Frank Werner zeichneten für die musikalische Gestaltung verantwortlich. Und last but not least muss das Technikteam einmal mehr lobend hervorgehoben werden: Paul Wunner, Philip Korn, Vincent Niemetz und Quentin Xylander brachten zuverlässig, zeitgenau und konzentriert Licht ins Dunkel der komplexen Szenenabfolge.

Einmal mehr durfte der Kritiker einen wundervollen Theaterabend erleben, wie es sie glücklicherweise am E.T.A. Hoffmann-Gymnasium immer wieder gibt. Und er ist erfreut darüber, dass diese Aufführung die Aussagen derer Lügen straft, die Jugend würde nichts mehr mit Theater anfangen können.

Wolfgang Metzner

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