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Gymnasium Bamberg

Hänsel und Gretel

PROGRAMM

 

Hänsel und Gretel - #Hexenhaus #Wald
Die Musik erklingt und zieht einen mit ihrer Klanggewalt sofort in seinen Bann, dass man sofort in eine andere Welt eintaucht– aber es liegt nicht nur an der beeindruckenden Schar der vielen Musikerinnen und Musiker, die in den folgenden 45 Minuten für eine zauberhafte, verwunschene Atmosphäre sorgen. Bereits beim Betreten der Unteren Turnhalle kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus: Es erwartet einen ein liebevolles und fantasiereiches Bühnenbild, das mit vielen Details bereits eine Lebkuchen-Wunderwelt rund um einen tiefgrünen Wald entstehen lässt. Da gibt es riesige Lebkuchen mit Zuckerguss, die so echt wirken, dass man hineinbeißen möchte, rot-weiße Zucker-stangen, die Kletterwände schmücken und eben zentral einen Wald, indem sich neben dem ein oder anderen Hasen auch Augen verbergen, die den Zuschauer aber eher spitzbübisch als bedrohlich anblicken. Die Kunstlehrerin Sabine Soukup hat hier mit einem ganzen Team von Schülern aus den 8. Jahrgangsstufen bereits seit dem letzten Schuljahr ganze Arbeit geleistet. Und dann gibt es da noch eine Ecke auf der Bühne, die dem häuslichen Leben der Jugendlichen Hans und Greta gewidmet ist. Vor stylischen weißen Wohnzimmerwänden sitzen die Zwei und – daddeln auf ihren Handys herum. Es sind eher die alltäglichen Probleme, die in dieser selbst vorgenommenen Interpretation des Ge-schehens um „Hänsel und Gretel“ die Entfremdung zwischen Eltern und Kindern darstellen. Die Un-terstufentheatergruppe unter Leitung von Christina Morcinek präsentiert dabei so viele aus dem gegenwärtigen Leben gegriffene Aspekte so überzeugend, dass neben so manchem Lacher aus dem Publikum, ob der Szenen, in denen sich wohl so manche Familie wiederfindet, direkt die Frage getuschelt wird: „Ist das überhaupt gespielt?“
Ja, es wird gespielt, und zwar auf begeisternde Weise – die Schülerinnen und Schüler zeigen eine unheimliche Spiellust – egal, welchen Part sie in diesem gruppendynamischen Wandelprozess übernehmen. Da begeistert zunächst die Familie (Malika Krieglstein (7d), Amira Borrat (7e) , Nele Socher (7c) sowie Emilia Müller (7c)) mit der Darstellung der typischen Familienstreit-Szenen und egal ob Eltern oder Kinder, beide Seiten sind sich einig: Die können ganz schön nerven. Da hilft es den Kindern auch wenig, wenn sie – zur Strafe wurden die Handys konfisziert – versuchen, sich mittels eines Buches die Zeit zu vertreiben – es fällt ihnen doch tatsächlich ein altes Märchenbuch in die Hand, aus dem ein Stück des Märchens der Gebrüder Grimm verlesen wird.
Geschickt greift hier nun wieder die stimmungsvolle Musik ein und führt das Publikum nun mitten in die Szenerie in den Wald. Die Verschränkung zwischen Musik und Theaterspiel mag nicht nur an dieser Stelle zu überzeugen, wenn man nun, während man dem belebten, dynamischen Tönen des Orchesters lauscht, den „Hänseln und Greteln“ zuschauen kann, wie diese sich nun aus Frust davon machen, um nach Abwechslung zu suchen – und es sind viele, die sich aufmachen, ihre Träume zu erfüllen: Rosa Kirnberger, Maria Lorenz, Benjamin Müller, Nora Schipkowski, Vinzenz Schönberger und Clara Stangelmeier (alle 7c) stellen, während die Musik stimmungsvoll eine beschwingte Atmosphäre schafft verschieden Situationen bei der Suche im Wald dar. Immer wieder freezen sie die Szene ein, um dann eine neue, klar zu erkennende Szene zu gestalten: da werden Äpfel vom Baum gepflückt, Vögel und anderes Tier wird beobachtet, es wird aber auch Verstecken gespielt und so mancher andere Blödsinn gemacht. Als die Musik zu Ende geht, bleibt dann Zeit einzelne Gedanken der Schülerinnen und Schüler darüber, was der Wald für sie bedeutet, vorzutragen – auch ohne Mikro sind die Stimmen von Vinzenz Schönberger und Nora Schipkowski in der zweiten Runde des Waldspazierganges deutlich und klar zu vernehmen.
Das Orchester ist mittlerweile beim vierten Stück aus dem Werk von Humperdinck angekommen: Beschwingt, faszinierend belebend und dynamisch ist die Gestaltung – die Schauspielerinnen und Schauspieler integrieren inzwischen auch das Publikum in ihr Spiel, indem sie das Versteckspiel einfach zwischen den Zuschauern weiterführen. Ein weiterer Monolog, dieses Mal überzeugend von Rosa Kirnberger präsentiert, schildert den Zauber des Waldes, der kurz zuvor und auch danach bereits musikalisch entstanden ist, nun noch einmal in einem kleinen Gedicht. Zuletzt werden dann auch Wünsche an das Universum gerichtet – diese reichen von der Hoffnung, ins Weltall zu fliegen, Tiere zu verstehen bis hin zu Schmelzkäse😊. Der Wunsch, die Sterne zu berühren, wird dann fast wahr, als mit einem Mal tausende kleine Sternchen an die Decke projiziert sind und die einsetzende Musik mit „Sandmann“ und „Abendsegen“ Humperdincks spätromantische Stimmung perfekt interpretiert und einen genau dorthin zu den Sternen zu tragen scheint. Während die Zuschauer in diese Traumlande geführt werden, fallen die Schauspieler auf der Bühne wirklich in den Schlaf und als die Kinder mit dem Ausklang der Musik erwachen, offenbart sich nun die dunkle Seite des Waldes: Schrecken und Angst ist plötzlich zu spüren und wird umso eindringlicher, je schneller die Kinder sich das Mikrofon aus der Hand reißen, um ihre Angst, ihren Schrecken zu verkünden. Was treibt die Kinder um? Angst vor schulischen Erwartungen sind genauso präsent wie der Verlust von geliebten Menschen oder gefährliche Erlebnisse beim Baden im Urlaub, aber nicht weniger können Geräusche, Al-leinsein zuhause oder aber fiese Spinnen Ängste spüren lassen – das Gefühl bleibt gleich, umso schlimmer, wenn sich der Hunger in all diese Überlegungen einschleicht.
Zum Glück aber sind wir in der multimedial vernetzten Welt nicht ganz so hoffnungslos verloren – wie von Zauberhand ploppt mit einem Mal Werbung auf: #Lebkuchenhaus #Hexenhaus #Lebkuchen; Paula Seuling (7e) und Malika Krieglstein (7d) sind die zwei charmanten Influencerinnen, die in ihrem Bildschirmrahmen um die mittlerweile zu einem Lebkuchenhaus verwandelte, ehemalige Wohnzimmerecke kommen und das verzauberte Lebkuchenhaus mit den buntesten Werbeslogans pfiffig und überzeugend schwungvoll anpreisen. Doch das wäre gar nicht nötig, denn das Lebkuchenhaus sieht tatsächlich zum Anbeißen aus mit seinem rosa Zuckerguss und den bunten Streuseln und tatsächlich sind da ja auch echte Lebkuchen zu finden, an denen die Kinder jetzt zu knabbern beginnen, während das Orchester mit dem grandiosen „Knusperwalzer“ das Knuspererlebnis und die Freude über dieses Ereignis beschwingt untermalt.
Es ist ein Genuss sowohl den Schauspielern beim Knuspern zuzuschauen als der Musik zu lauschen, die jedoch am Ende auch ins Bedrohliche abzielt, als aus dem Haus Stimmen zu vernehmen sind: „Knusper, Knusper, Knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen?“ – Es sind die Musiker die antworten: „Der Wind, der Wind, das himmlische Kind.“
Schon wird das nächste Stück angestimmt – düstere, energische Klänge sind es dieses Mal im „Hexenritt“ und damit einher kommt auch der Reigen der Hexen aus dem Häuschen hervor: Magdalena Amon (7a), Eva Meister (7a), Yolanda Gajardo Brehm (7d), Jule Sturm (7d), Elisa Palatzky (7e) und Luise Wirobal fegen im wahrsten Sinne über die Bühne – mit einem Tanz, bei dem sie sogar auf ihren Besen reiten und zuletzt auch die Kinder in ihren Bann ziehen. Nicht nur die bunt durchgewürfelten Kostüme unterstützen dies bedrohliche Szenario – es ist vor allem der Mimik der Hexen und der konsequenten Körpersprache der Darstellerinnen zu verdanken, dass man sich wünscht, besser nicht in deren Hände zu geraten. Doch wie die Musik unterstreicht, brodelt es, der Höhepunkt naht, die Kinder sind gefangen.
In die Stille hinein platzen die Hexenfantasien, auf welche Weise sie die Kinder quälen und für ihr großes Fest mästen wollen. Die Lichtregie der Technik ist es dieses Mal, die abgesehen von der durch das ganze Stück führenden, ausgewogenen Beleuchtung, das Spektakel hier noch einmal in besonderes Licht rückt. Noah Kießling (9a), Johanna Losgar (Q12), Sebastian Losgar (11a) sowie Jonathan Wiegandt (Q12) zeichnen sich für den beeindruckenden Technikaufbau mit stimmungsvollen Lichtszenen sowie für die Tongestaltung verantwortlich und lassen sich auch nicht durch den Ausfall von Mikrofonen aus der Ruhe bringen.
Zurück zum Hexenspektakel – die Überlegungen der Hexen greifen weiter und plötzlich sind es nicht nur die Kinder, die ihren Garstigkeiten ausgesetzt sind: „Du machst das komplett falsch“, „Räum gefälligst dein Zimmer auf!“, tönt da plötzlich eine Hexenstimme direkt neben einem im Publikum. „Das ist ja schlimmer als zuhause“ – es sind Sätze, die einen an den Beginn des Stückes denken lassen und die verdeutlichen, wo das Unschöne und Freudlose in unserer Zeit zu finden ist. Zum Glück wird das Ge-schehen reflektiert – man freut sich, als plötzlich eine emsige Reporterin das Tun der Hexen vom Publikum bewerten lässt. Amira Borrat (7e) geht beherzt und mutig auf die Zuschauer zu, verkörpert die Haltung der Reporterin durch und durch und fragt im Auftrag für Hexen-TV nach Verständnis für die Hexen. Doch dieses ist im Publikum schwer zu finden: „Das geht gar net!“, ist der fränkische Tenor, der von den Hexen empört zurückgewiesen wird, schließlich waren es ja die Kinder, die sozusagen Hausfriedensbruch und Diebstahl am Hexenhaus begangen haben. Und jetzt wird es stürmisch – das Geschehen auf der Bühne explosiv, als es daran geht, die gefangenen Hänsel und Gretel in den Ofen zu werfen. Aber die Hänsel und Greteln sind Kinder unserer Zeit und wissen, die moderne Technik, für sich zu nutzen. Ihr magischer Spruch lautet: „Alexa, verbrenne die Hexen!“ Gesagt, getan und die Kinder machen sich froh über ihre Freiheit auf die Suche nach ihrem Weg zurück nach Hause.
Zuletzt ertönt das große Finale an diesem Abend durch das super aufeinander eingespielte Orchester, das mit seinem riesigen Streichapparat, den kraftvollen Bläsern und dem Schlagwerk nach wie vor beeindruckt – ist das wirklich ein Unter- und Mittelstufenorchester das hier so dynamisch und ausdifferenziert spielt? Die Freude über die Rückkehr nach zuhause ist nicht nur dem Klang der Musik zu entnehmen – das gemeinsame Verzieren eines Lebkuchenhauses mit den Eltern und das Schmücken des Weihnachtsbaumes durch die Kinder ist ein bezauberndes letztes Bild, mit dem das Publikum – nach diesem wundervollen Theater- und Musikabend – stimmungsvoll nach Hause entlassen wird.
Dies dauert dann aber noch ein paar Minuten, denn der mehr als verdiente Applaus für die beeindruckende Leistung des Unterstufenorchesters sowie des Schauspielteams ebbt lange nicht ab. Katharina Rosenberg hat mit viel Engagement und Herzblut eine talentierte Schülerschaft zu einem Orchester vereint, das auf den Punkt zu spielen vermochte und dessen präzises und dynamisches Zusammenspiel beeindruckte. Nicht weniger gelungen war dann die Verzahnung der Musik mit dem theatralen Spiel, die auf die Handschrift von Christina Morcinek zurückzuführen ist. Ansprechend aktuell, tiefgründig und dennoch mit augenzwinkernden, lustigen Momenten gelingt es der Theaterlehrerin die vielen kreativen Ideen der Jugendlichen zu einem abwechslungsreichen und doch märchenhaften Spannungsbogen zusammenzuführen. Es sind vielfältige, ansprechende szenische Bilder, etliche mu-sikalische Ohrwürmer und ein wohltuendes Happy-End das die Zuschauer mit nach Hause nehmen – #Lebkuchenhaus #märchenhafterAbend.

A. Kießling