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Lysistrata

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„Was geht die Frauen der Krieg an?“


Oberstufentheatergruppe begeistert mit „Lysistrata“


Es ist dunkel. Alle rennen und flüchten. Von irgendwo ertönen Schläge – Schüsse? Die Einschläge kommen näher, die Schritte schneller – bis Lysistrata resigniert ruft: „Es hört nie auf!“
Damit, dass es – gemeint ist das Kämpfen und Töten im Krieg – doch einmal aufhören möge, bescchäftigt sich das Stück „Lysistrata“, das von Thomas Gehrke in einer aktualisierten Fassung nach Aristophanes geschrieben und vom P-Seminar Theater der Q12 in zwei ebenso unterhaltsamen wie beeindruckenden Aufführungen auf die Bühne gebracht wurde. Es ist eine von Aristophanes‘ bekanntesten Komödien, und doch ist es wieder keine Komödie, geht es doch um ein allzu ernstes und leider auch heute sehr aktuelles Thema: den Krieg.
Die Athenerinnen haben es schlicht satt, dass sie in Angst um ihre Männer, unmündig irgendwelche Entscheidungen zu treffen, daheim warten müssen, bis diese vom Kampf zurück kommen – oder eben nicht. Bereits zu Beginn drücken dies die von Jana Peterson über die gesamte Stückdauer mit großer Ernsthaftigkeit und berührendem Nachdruck verkörperte Lysistrata und ihre Freundin Kalonike, energisch und dennoch ratlos von Zoe Rigopolous gespielt, zum Ausdruck und konstatieren: „Bleibt mir mit Krieg und Heldentum gefälligst gestohlen!“ Sie haben die anderen Frauen Athens zusammengerufen, um an der Situation etwas zu ändern, doch die lassen sie warten. Der Grund ist schnell zu erkennen: Die Damen sind beschäftigt, mit ihren Haaren, ihren Nägeln, dem Richten der Strümpfe, dem Rasieren der Beine, dem Schminken und der Anfertigung von Selfies. Ein witziges stummes Bild der gesamten Gruppe zu Beginn, das bereits die Konzentriertheit und die Spielfreude des Teams zum Ausdruck bringt, die die gesamte Aufführung aufrecht erhalten werden und die sie so professionell gestalten. Dabei darf das Genre-Bild der Frauen durchaus selbstkritisch aufgefasst werden, besteht die schauspielernde Truppe doch ausschließlich aus Akteurinnen. Und das sind die Frauen, die Lysistrata, gemeinsam mit den Frauen des Feindes, den Spartanerinnen, zum Widerstand gegen die Männer aufwiegeln will?
Die Männer kommen allerdings nicht besonders sympathisch daher. Betont schniefend und ihre männlichen Attribute in den Vordergrund rückend betreten zwei Wachen die Bühne. Das ist nur die erste Szene, in der Merle Bruha als Mann derartig glänzend und facettenreich schauspielert, dass es zugleich entlarvend und höchst amüsant ist. Und Maja Wenker wird nicht nur an dieser Stelle ihre grandiose Mimik, Komik und Schauspielfreude unter Beweis stellen. Natürlich darf der Schw..ertvergleich nicht fehlen. Als die Spartanerinnen, keck, selbstbewusst und mit viel Witz dargestellt von Anna Ulbricht, Amelie Eberth und Johanna Krug, auf ihre plumpe Anmache eingehen, sind die Männer doch etwas verunsichert. Schlussendlich sind die Frauen der verfeindeten Lager versammelt und beschnuppern sich misstrauisch in einer sehr schönen Choreographie zum „Pink Panther Theme“. Nun beginnt Lysistratas Überzeugungsarbeit: Nach anfänglichem Widerstand vereinbaren alle Frauen, sich den Männern so lange in Sachen sexueller Begegnung zu versagen, bis das Kämpfen beendet ist. Die Enthaltsamkeit schreckt durchaus auch die Frauen ab, weswegen sie ihren Schwur auf ein die Männer zumindest im Lustgewinn ersetzendes Gerät ablegen, bevor sie das Tor zur Burg verschließen. Ein genialer doppelbödiger Kniff, dass dieses Tor den entsprechend verschlossenen Teil der weiblichen Anatomie darstellt – no entry.
Diese Verweigerung ist den Medien natürlich eine Pressekonferenz wert, die Maja Wenker souverän und mit grandioser Mimik durchführt, wobei Amelie Eberth bewundernswert variabel und unterhaltsam zwischen den unterschiedlichen Charakteren der fragenden Journalisten wechselt. Die Antwort, nämlich dass sich die Frauen ignoriert und diskriminiert fühlen, wird ihnen mit dem Originaltext von Aristophanes, nachdrücklich genervt vorgetragen von Jana Peterson, Zoe Rigopolous und Anna Ulbricht, präsentiert. Natürlich versuchen die Männer das Tor einzunehmen, insbesondere Muskuloss, von Johanna Krug herrlich macho-mäßig verkörpert, will den Frauen Feuer machen, doch eine vorwitzige Lilly Beyer, eine schnippische Mia Loskarn und eine energische Sophia Gräbner als weitere Athenerin wehren sich erfolgreich. Lysistrata erhöht den Druck, indem sie sich der Staatskasse bemächtigt und in einem eindrucksvollen Monolog die Rolle der Frau in Kriegszeiten emotional und sarkastisch auf den Punkt bringt: „Ich hielt den Mund.“ Vehementer und radikaler geht dann Anna Ulbricht vor, die sich – ganz an aktuellen Beispielen orientiert – an einem Männertorso festklebt, wo sie in einem tollen Solo die Auswirkungen des Krieges auf die Frauen herausstellt: „Seit Kriegsbeginn ist mein Uterus Staatsgebiet.“ Sie prangert an, dass Liebe so zum politischen Mittel in militärischen Auseinandersetzungen wird – der selbst verfasste Text und ihr Schauspiel beeindrucken das Publikum sichtlich.
So langsam werden die auf Entzug befindlichen Männer aber verzweifelt: Ein liebestoller Kinesias (Merle Bruha) bringt seiner Liebsten ein herrlich schräges Ständchen, was Myrrhine (schön hin- und hergerissen von Mia Loskarn gespielt) beinahe überzeugt, wäre da nicht das weibliche Korrektiv, resolut und überzeugend von Sophia Gräbner gegeben. Doch auch die Frauen-Front bröckelt, Auswege werden in Sexspielzeug und Onlineangeboten gesucht, und Myrrhine bringt Kinesias beinahe dazu, für den Frieden zu stimmen – aber nur beinahe. Da bleibt den Frauen nichts anderes übrig, als die Kriegskasse zu vershoppen – auch hier darf die daraufhin ausbrechende Hysterie durchaus selbstironisch gewertet werden, wenn auch die Szene durch ihre Dynamik einen Höhepunkt darstellt. Ein letztes Mal darf Maja Wenker als Reporterin von der „Front“ berichten, wo den Männern die Waffen ausgehen und sie sich mit Pinienzapfen behelfen müssen wegen der Aktivitäten der „radikal-pazifistischen Widerstandsgruppe“. Erneut gibt es für das tolle Spiel von Maja Szenenapplaus, bevor die Männer aufgeben. Die Erkenntnis, dass Krieg auch nur eine perverse Art des Konsumierens sei, lässt am Ende keine Sieger zu – Männer wie Frauen müssen ihre Rollen hinterfragen, was in einer Filmeinspielung, die mit dem Text „Pack deine Sachen“ von Paul B. Preciado unterlegt ist, deutlich gesagt wird. Während man sieht, wie Büstenhalter verbrannt und – auch hier wieder mit einem Augenzwinkern, befindet man sich nicht schon wieder in einem Klischee? - Tofuwürstchen gegrillt werden und sich die Schauspielerinnen auf einen ungewissen Weg machen, fordert der Text, auf diesem Weg mit allen Konventionen des Menschseins zu brechen, wenn eine Veränderung der Situation möglich sein soll – denn sonst, um zurück zum Eingang zu kommen, hört es nie auf. Ein beeindruckendes Ende, das zum Nachdenken anregt.
Und die Männer der Schauspieltruppe? Die haben sich – anders als die auf der Bühne – im Hintergrund gehalten, waren deshalb aber nicht weniger am großen Erfolg beteiligt. Jakob Hannusch und Paul Küffner sorgten nicht nur für passendes Licht und Ton, sondern erreichten durch Live-Filmübertragungen und viele Toneffekte eine Professionalität in der Technik, die das Spiel ungemein bereichert hat, da es dadurch noch eindrücklicher und anschaulicher wurde. Eine tolle Leistung.
Insgesamt war „Lysistrata“ eine beeindruckende Teamleistung, die durch die Erwähnung einzelner Schauspielerinnen gar nicht zum Ausdruck kommt. Das Besondere lag in der Fokussierung und dem Zusammenspiel, was vor allem in den Gruppenszenen durch Körperspannung, Bewegung, das aufeinander Eingehen und die immer vorhandene Mimik bemerkbar wurde. An dieser Leistung hat natürlich die lange und gewohnt hervorragende Arbeit der Leiterin Anja Kießling einen großen Anteil, die betonte, dass tiefgründige und vielschichtige Diskussionen und so manche Lacher den Erarbeitungsprozess begleitet haben.
Langanhaltender Applaus und angeregte Gespräche über das Gesehene belohnten diesen besonderen Theaterabend.

Text: Martin Stübinger

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