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Gymnasium Bamberg

So ein Theater!

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Die Mittelstufenbühne imponiert mit einer philosophisch-humoresken und nachdenklich stimmenden Theater-Collage mit einer abwechslungsreichen Inszenierung auf der Freilichtbühne des E.T.A. Hoffmann-Gymnasium
Der Respizient sitzt auf der Wiese und wartet. Er war pünktlich, aber muss warten. Er wartet, was bleibt ihm anderes übrig. Aber er weiß auch: Warten gehört zum Leben dazu, auch wenn dabei manchmal der Geduldsfaden zu reißen droht. Und vielleicht muss der ein oder andere auch ein Stoßgebet zum Himmel senden: „Herr, gib mir Geduld, aber sofort!“ Man kann das Warten im Leben aber auch als freundliche Einladung zu einer kleinen Meditation verstehen, wie es der Autor und Couch Andreas König vorschlägt. Allerdings passt dies nicht zum Verfasser dieser Kritik, weswegen er einfach wartet, bis das Stück „Warte.immer“ beginnt. Und es hat sich gelohnt.
Unter der Regie von Anja Kießling und Tina Morcinek brachte die Schauspieler*innenschar eine Collage von selbstverfassten Texten, von witzigen Spielideen, von Dramen-Zitaten in Anlehnung an „Warten auf Godot“, von Ausschnitten aus großen Tragödien und nicht minder niveauvollen Komödien auf die so genannten Bretter, die die Welt bedeuten. Aber wollen wir jetzt nicht hektisch werden, Geduld haben und die Szenenabfolge in ihrer Vielfältigkeit Revue passieren lassen.
Durch die gesamte Aufführung hindurch begleiten uns Leo Eisenhart und Jona Neuberg, will doch der eine vom anderen wissen, was denn Geduld sei. Und er bekommt zu Antwort, dass der Gesprächspartner, der aber nicht viel redet, es ihm zeigen wolle. In dieser Piggeldy-Geduldsszene, die nach und nach auch beim Zuschauer Spannung hinsichtlich der Antwort auf die Ausgangsfrage aufbaut, die er eigentlich kennt, wird die Lösung im nahezu stummen und geduldig-konzentrierten Spiel dargeboten. Ohne viele Worte. Und diese tolle Leistung kann man allen Spieler*innen auf der Bühne schon jetzt attestieren: Sie können schweigen, sie spielen mit Mimik und Gestik, sie müssen nicht dauernd dialogisieren, um die Handlung voranzutreiben und Spannung aufzubauen. Sie warten. Sie machen Pausen. Und das ist beindruckend.
Eine Theateraufführung zum Thema „Warten“ ohne Samuel Becketts Theaterstück, in dem auf den guten alten Godot gewartet wird, ist letztendlich nicht denkbar. Elisa Zuzan-Valdisserri und Anton Spörl gelingt es eindrucksvoll, eine entsprechende Warteszene, angelehnt an dieses Stück der Weltliteratur unter Einbindung eigener Erfahrungen mit dem ewigen Warten im Leben sehr authentisch und nachvollziehbar zu spielen.
Loriot-Fans wissen es schon lange: „Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen“. Und Pauline Amon und Mia Heinl schaffen es mit viel Witz und nuancenreicher Sprache, die Widrigkeiten des Zusammenlebens zwischen den Geschlechtern auf den Punkt zu bringen. Das macht viel Freude und Lust darauf, mal wieder den guten alten Loriot zu lesen oder seine Sketsche anzusehen.
Und diesem Wunsch folgt die Inszenierung sofort. In der Szene „Feierabend – Ich will hier nur sitzen“ zeigen Vanessa Nguyn und Alexa Kraus mit ruhiger und das Gegenüber provozierender spielerischen Eleganz diese berühmte Szene, in welcher der Ehemann einfach nichts tun möchte - und er meint wirklich gar nichts - seine Ehefrau aber dafür wenig bis kein Verständnis zeigt, was die Zuschauer*innen wiederum mehr als amüsiert.
Der große Nationaldichter Goethe darf bei einer Dramen-Collage in keinem Fall fehlen. Und Fausts Gretchen muss nachts auch auf diesen alten Mann, der sie begehrt, warten. Sie tut es in einem Auf und Ab der Gefühle, die Johanna Losgar empathisch und eindrücklich zum Besten gibt. Die Ängste und Hoffnungen der jungen, naiven Protagonistin werden bis ins kleinste Detail zum Ausdruck gebracht – und wir alle wissen, dass Gretchen besser nicht hätte warten sollen. Aber sie liebt den Magister Faust halt – oder meint dies zumindest.
Feinsinnig, witzig, facettenreich und mit viel Engagement gehen Mia Rösch und Lotte Folgmann der Frage nach, warum Langeweile eigentlich Langeweile heißt. Da wird der Terminus auseinandergedröselt, semantisch zerlegt und kritisch hinterfragt, was den Zuschauer einerseits ein Lächeln ins Gesicht treibt, andererseits aber auch zum Nachdenken anregt.
Eine schauspielerische Glanzleistung zeigen nunmehr Sebastian Losgar, Lina Runschke und Noam Herzog. Das Klischee des langsamenden, die Geduld herausfordernden Beamten, der einen lehrt, was Warten heißt, wird hier mit dem Treppen-Witz auf die Spitze getrieben, was für alle drei jungen Künstler*innen ein hohes Maß an Konzentration bedeutet und eine nuancenreiche Darstellung erfordert. Und sie sind diesen Vorgaben in höchstem Maße gewachsen.
Das Wartezimmer des Arztes, die Verrücktheit der Menschen und die Diva, für die Warten einen Affront gegen die eigene Person bedeutet, dürfen ebenfalls nicht fehlen. Juliane Deller zeigt uns nachdrücklich und geduldig, was es bedeutet, ewig beim Herrn Doktor zu sitzen und der Untersuchung zu harren. Diese Erfahrung hat schon fast jeder gemacht… in unserer ungleichen Welt aber leider vor allen die Kassenpatienten. Emely Pfister kann die Diva, sie ist die Diva, sie verkörpert diese – Chapeau! Wenn sie betont: „Ich hatte einen Termin“, dann MUSS sie vorgelassen werden. Köstlich. Mit einem selbstverfassten Text beindruckt Frederike Lang in der Darstellung einer verrückten Person, die mit der Geduld und dem Warten ebenfalls so ihre Probleme hat – köstlich.
Michael Endes „Momo“ beschäftigt sich mit der Zeit, mit der Geduld, mit dem Warten, mit dem Leben. Und so kommt die Protagonistin immer wieder zu dem Schluss, dass Zeit eben Leben bedeutet. Das ist vielen von uns in dieser hektischen Gesellschaft gar nicht bewusst, oder vielleicht manchem im so genannten „Lockdown“ erst klar geworden, auch wenn dies eine der wenigen positiven Aspekte der Corona-Zeit sein dürfte. Ronja Scharold gibt die „Momo“ gekonnt, mit klarer Sprache und schöner Bühnenpräsenz.
Alle Schauspieler*innen zeigten im Zusammenspiel viel Freude, gegenseitige Rücksichtnahme, Präzision und Können. Da darf man sich auf weitere Inszenierungen freuen. Aber darauf müssen wir jetzt erstmal wieder warten.
Wolfgang Metzner

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