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Gymnasium Bamberg

Biedermann und die Brandstifter

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Bilder

Fotos: Generalprobe: M. Stübinger, Aufführung: A. Kießling

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Programm-Heft /Plakat

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Kritik

Max Frischs Drama "Biedermann und die Brandstifter –
Ein Lehrstück ohne Lehre"

Ursprünglich hatte der Schweizer Literat sein Bühnenstück schon 1948 in seinem Tagebuch als Burleske konzipiert – als derbe Komödie der `einfachen Leute´ mit grotesker Komik und Soziolekt. Da dürfen Regelverletzungen vorkommen oder es kann moralisiert werden. Zunächst arbeitete er seine Skizze 1952 zu einem Hörspiel mit dem Titel "Herr Biedermann und die Brandstifter" um, das 1953 vom Bayerischen Fernsehen gesendet wurde. In dieser Fassung überlebt Biedermann den Brand am Ende des Stücks noch, um dann vom "Verfasser", der nichts mit dem Autoren der Hörspielfassung zu tun hat, interviewt zu werden. 1957 erschien die Dramenfassung, die es in sich hat. Liest man Kritiken und Rezensionen, kann man die unterschiedlichsten Interpretationen finden, teilweise völlig abstrus und vor rechter Ideologie nur so strotzend. Die Auswahl an Zitaten im Programmheft hat es in sich und regt schon vor Beginn der Aufführung zum Nachdenken an. Aber kommen wir nun zur Inszenierung am E.T.A. Hoffmann-Gymnasium.

In einem YouTube-Video sieht man den Influencer Biedermann, der zum Umweltschutz und zu einer positiven Lebensgestaltung aufruft. Damit verdient er sein Geld. Er hat viele Follower, aber auch Mitarbeiter, die er nicht gerade freundlich behandelt, die entlassen werden, wenn sie keinen Nutzen mehr bringen. Es wird ihn später wenig berühren, wenn einer seiner Co-Produzenten nach dem Rausschmiss Selbstmord begeht. Nicht gerade die sympathische Sorte Mensch. Unser Biedermann wird von drei Schauspielern auf die Bühne gebracht. Lukas Hein gibt den selbstverliebten, geschäftigen und umtriebigen Protagonisten lebensecht und erschreckend authentisch bei bewundernswert klarer Artikulation, die man erfreulicherweise allen Schauspielerinnen und Schauspielern an diesem Abend attestieren kann.

Nun tritt erstmals an diesem Abend der Chor der Feuerwehrmänner auf, den Max Frisch – dem Vorbild der griechischen Tragödie folgend – als Vermittlungsinstanz zwischen Handlung und Publikum einführt. So kann man in den gesammelten Werken des Dramatikers nachlesen: "Der antike Chor, der die Stadt (und insofern den Zuschauer) vertritt und auf der Bühne wacht, beschwichtigt und warnt, ohne wirklich eingreifen zu können (…) hat mich immer an die brave Feuerwehr erinnert, die auch nichts machen kann, bevor´s brennt, und dann ist es ja – in der Tragödie und heute – zu spät". Und das werden die Choristen immer wieder eindringlich tun: warnen, den Schrecken verwalten, kommentieren, moralisieren! Die Choristen Mia Loskarn, Magdalena Schütz, Katharina Fischer, Stefanos Pachidis, Maria-Sophia Neef und Lukas Hein beeindrucken in ihren Rollen gemeinsam mit ihrer Chorführerin Anna Ulbricht mittels nuancenreicher Mimik und Gestik sowie detailreicher Modulation. Und der Zuschauer sieht sich mit seinen eigenen Ängsten und Befürchtungen konfrontiert, die er nicht einzuordnen weiß. Chapeau.

Gewarnt wird unser Biedermann immer wieder, auch von seinem persönlichen Umfeld, beispielsweise von seiner Mitarbeiterin Anna, die von Mariana Gonzales Stette sehr glaubhaft unterwürfig, dem Herrn nicht widersprechend und doch kritisch-distanziert gespielt wird, auch wenn die Welt schon lichterloh brennt.
Nun kommt die Handlung ins Rollen, deren Plot denkbar einfach ist, in seinen Auswirkungen aber katastrophal. Man erfährt von Bränden in der Gegend, die immer nach dem gleichen Schema ablaufen. Getarnt als harmlose Hausierer nisten sich die späteren Täter jeweils auf dem Dachboden des Anwesens ein, welches sie später niederbrennen werden. Symbolisch in rote T-Shirts gewandet, werden die drei Brandstifter Josef Schmitz, Willi Eisenring und Paul M. mit ihren vielen Charakterzügen eindrücklich und mit viel Spielfreude verkörpert. Manipulativ und freundlich schleicht sich Rosalie Jahnel als Schmitz ins Haus ein, und sie lässt in ihrer bestimmten Art keinen Widerspruch zu. Während Anna Konerding als Eisenring entwaffnend ehrlich und überzeugend auftritt, gibt Elena Huttner als Paul M. den Proleten mit viel Komik, wobei sich herausstellt, dass auch diese Attitüde nur vorgespielt ist. Und alle Brandstifter sind sich darüber im Klaren, dass die beste Tarnung für ihr Tun nicht Scherz und Sentimentalität, sondern die Wahrheit selbst sei, weil sie niemand glauben würde … oder sie nicht sehen will. Am Ende werden sie das Haus niederbrennen. Sie verschweigen es nicht. Sie sagen es laut und deutlich. Sie wissen, dass sich ihnen niemand in den Weg stellen wird, weil sie die Welt der Biedermänner kennen. Sie empfinden Freude und Gefallen am Brandstiften. Nicht so ihr Komplize Dr. phil., der dann doch kein Komplize ist. Er zündelt aus ideologischen Motiven, hilft den anderen aber nicht, ihre Ziele zu verfolgen. Leo Beyer verliest als Akademiker bei seinem abschließenden Auftritt eindrücklich ein Erklärung, in der dieser sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt und jegliche Form der Gewalt, des Extremismus und des Rassismus´ ablehnt. Mit dieser Distanzierung, die so positiv klingt, kann er aber in der Praxis nichts mehr bewirken. Dem Rezensenten wird nahezu übel, wenn er später erfährt, dass die sich von Gewalt distanzierenden Zitate aus der Erklärung dieser Aufführung aus Pamphleten der NPD und AfD stammen.

Biedermanns Freundin, Babette ist von Anfang an ängstlich und misstrauisch. Sie will die Gäste nicht im Haus haben, die immer offener von den Benzinkisten, den Zündschnüren und der Holzwolle auf dem Dachboden erzählen. Sie bittet Felix zunächst, fleht dann immer eindringlicher und verzweifelter, wird aber nicht erhört. Maria Lösch ist die Rolle der zurückhaltenden, teils naiven, dann kurz mal forschen, aber letztendlich die Realität doch verleugnenden Partnerin des Protagonisten förmlich auf den Leib geschrieben. Sie verkörpert facettenreich, konzentriert und sicher ein Individuum, das gleich ihrem Partner aus Feigheit, Dummheit und Verblendung ein vermeidbares "Schicksal" erleidet.

Unser Biedermann wird immer verzweifelter, aber auch immer devoter und unkritischer. Er verschließt seine Augen vor dem Offensichtlichen, lügt sogar, als ein Polizist (Magdalena Schütz spielt ihn glaubwürdig und bestimmt) nach dem Sinn der vielen Kisten auf dem Dachboden fragt, weil er keine Unannehmlichkeiten haben möchte. Stefanos Pachidis baut die Rolle des Biedermann aus, zeigt dessen Entwicklung prägnant und deutlich mit dem Blick für die inneren Strukturen einer Existenz, die als Internet-Star den Wahlspruch "Life is good, lets make it better" zum Besten gab, nunmehr aber jegliches aktive Handeln vermeidet, das die Welt und das Leben wirklich besser machen würde. Für ihn sind Charakterstärke, Zivilcourage und Rückgrat Fremdwörter. Er lässt sich führen von Angst, Selbstzweifeln und der Leugnung von Problemen.

Zu guter Letzt übernimmt Marie-Sophie Neef die Rolle des Biedermanns. Sie mimt diesen mit Bravour, zeigt schrittweise, wie ein Mensch den eigenen Untergang verleugnet, sich aufgibt, um nicht aufbegehren zu müssen. Der Biedermann ist am Ende. Die Sirenen in der Stadt heulen laut auf. Der Biedermann glaubt sich gerettet. Doch die fernen Sirenen sind nur Täuschung. Im Nu ist das Haus ein Flammenmeer, Biedermann und Babette starren ins Nichts. Es ist aus. Und die Szenerie schließt mit Händels "Lascia chio pianga": "Lass mich beweinen mein grausames Schicksal und beseufzen die verlorene Freiheit! Lass mich beweinen mein grausames Schicksal und beseufzen die verlorene Freiheit …" – Selbstmitleid ist aber der falsche Weg! Es bleiben Gänsehaut und Verstörung!

Eine tiefgründige, zum Nachdenken anregende und dennoch kurzweilige Aufführung findet ihr Ende. Martin Stübinger gelang es wieder einmal hervorragend und überzeugend, ein anspruchsvolles Stück mit einer großen und motivierten Schauspielgruppe zu inszenieren. Mit hohem Einsatz unterstützt wurde er hierbei von Olga Friedel, die auch für die tolle Choreografie verantwortlich zeichnete.

Alle Protagonisten wurden hervorragend von Denise Czuma und Luisa Schreiber geschminkt. Letztere gab außerdem dem Ensemble konzentriert als Souffleuse die nötige Sicherheit. Ruhig und dennoch immer präsent im Hintergrund agierend, den Wünschen und Vorgaben des Regisseurs stets gerecht werdend, konnten Tibor Vaaßen, Leo Thiele, Laurenz Rudrof und das E.T.A.-Technikteam mit einfallsreichen Licht- und Toneffekten ihr Können unter Beweis stellen und auch den raschen Bühnenbildwechsel garantieren. Beeindruckend auch die Filmsequenzen, welche realistisch die Online-Welt eines You-Tubers auf der Bühne zeigten. Diese wurden hochprofessionell von Leo Beyer produziert, der auch das beeindruckende Plakat entworfen hatte.

Ein toller und angenehmer Theaterabend ist zu Ende. Wieder müssen wir Wochen und Monate warten, bis ein neues Stück an unserer Schule gezeigt wird. Schade, dass es so lange dauert, aber die Erfahrung zeigt, dass am E.T.A. immer Theaterluft durch die Gänge wehen wird – zum Glück...!
Wolfgang Metzner

 

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