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Gymnasium Bamberg

Unterwegs mit den „Willkommensgruppen“

Am Donnerstag vor den Pfingstferien startete ein Versuch der ganz besonderen Art:
Klappt es, mit über 40 ukrainischen Jugendlichen, die derzeit drei verschiedene Gymnasien in Bamberg besuchen, ausgerechnet zu Beginn der 9€-Ticket-Zeit einen Ausflug nach Würzburg zu unternehmen?
Schon gleich einmal vorausgeschickt: Es hat geklappt. Alle waren morgens pünktlich am Bahnhof, niemand ging in der Residenz oder auf der Festung verloren, alle konnten sich am Nachmittag wieder in den komplett überfüllten Zug drängen und zurück nach Bamberg fahren.
Manche Szenen wirkten freilich von außen gesehen sicher etwas merkwürdig, insbesondere das häufige Zählen, Gestikulieren und Übersetzen. Und so wurden wir auch zuerst vom Sicherheitsdienst der Bahn, dann vom Museumspersonal und schließlich auf dem Rückweg zum Zug von der Polizei, die Würzburg gerade zum Schutz der versammelten Innenminister mit einem Großaufgebot sicherte, interessiert bis kritisch beobachtet. Es war gar nicht so einfach, so viele „unbekannte“ Jugendliche, viele ohne gesicherte Deutschkenntnisse, nach drei Schulen (E.T.A., KHG, FLG) zu „sortieren“ – und Platz zum Zählen gab es angesichts der Menschenströme vor und in den Zügen kaum. Und wie soll man den Anweisungen des Zugpersonals folgen, sich auf einem bereits überfüllten Bahnhof über den gesamten Zug und alle seine Türen zu verteilen, wo man doch eigentlich als Gruppe zusammenbleiben möchte?

Trotz dieser Herausforderung kamen wir wohlbehalten und fröhlich in Würzburg an und fanden auch ohne Probleme den Weg zur Residenz, wie Bamberg UNESCO-Weltkulturerbe, wo uns bereits zwei freundliche Führungskräfte erwarteten. Dank unserer wirklich grandiosen Übersetzer/innen – Alina Shynkarenko, die derzeit am E.T.A. in der Willkommensklasse unterricht, und ganz spontan auch Anna-Mariia Koshlan aus der 8b und Jevhen Dostolev aus der 8c, die ein absolut souveränes Team bildeten - konnten sich alle in die Geheimnisse des Bauwerks und seiner kunstvollen Ausgestaltung einweihen lassen. Egal ob „Fürstbischof“, „Stuckarbeiten“, „Deckenfresken“ oder komplizierte Namen wie Balthasar Neumann, Tiepolo oder Antonio Bossi, alles wurde klar verständlich und voll jugendlichem Schwung ins Ukrainische übersetzt. Bedrückend waren am Ende des historischen Rundgangs die Bilder vom „Feuersturm“ über Würzburg am 16. März 1945, die erschreckende Ähnlichkeiten mit den aktuellen Kriegsfotos aus der Ukraine aufwiesen. Ob es „tröstlich“ ist zu hören und zu sehen, dass zumindest ein Großteil der Kulturgüter in Würzburg trotz der vernichtenden Angriffe gerettet und/oder restauriert werden konnte?

Nach der Führung galt es dann wieder zu unterscheiden, welche „Schäfchen“ zu uns gehörten und welche anderen Schulklassen fröhlich plaudernd dazwischen „wuselten“ Die nächste Station nach einer Brotzeitpause im Hofgarten war der Dom, in dessen Nähe ein „Meeting-Point“ ausgemacht wurde, um sich nach der freien Zeit in Kleingruppen wieder sicher zu sammeln. Ein großes Kompliment an alle Jugendlichen – mit nur einer kleinen Verspätung waren alle pünktlich wieder da!

Auf dem Weg zur Festung Marienberg war die Devise klar: Es geht immer nach oben… und alle gehen mit, die einen eroberten sich fröhlich um die Wette rennend den Berg, die anderen kämpften sich nur schleppend und mit Pausen hinauf. Belohnt wurden wir alle mit einer wunderbaren Aussicht, die bei strahlendem Sonnenschein so richtig zur Geltung kam. Nach einem kurzen Rundblick ging es ins Museum für Franken, in dem noch bis April 2023 eine „Zeitreise ins Mittelalter“ erlebt werden kann Zwei Führungskräfte vermittelten uns im Außenbereich wie im Innenbereich lebendige Eindrücke vom Alltag im Mittelalter. Man konnte sich seinen „Speisezettel“ mit Hilfe von nachgemachten Naturalien selbst zusammenstellen (und alles „neumodische Zeug“ wie Kartoffeln, Paprika, Tomaten, Mais usw. dabei aussortieren), über kuschelige Rattenstofftiere als Überträger von Krankheiten schmunzeln, mittelalterliche Spiele ausprobieren, das „Angstloch“ im Turm besichtigen, sich als Fürstbischof verkleiden, Brünne und Helm aufsetzen (oder zumindest ihr Gewicht testen) und auch einmal die Rekonstruktion eines Schwertes im Originalgewicht in die Hand nehmen. Das Interesse bei diesen „praktischen Angeboten“, die auch ohne große Sprachkenntnisse eindrucksvoll vermittelt werden konnten, war groß. Schade war nur, dass mit Blick auf die Abfahrtszeit des Zuges schon bald wieder der Rückweg angetreten werden musste – aber mit dem 9€-Ticket sind ja weitere Besuche möglich. Ein erster „Appetizer“ wurde geboten…
Vor dem Bahnhof schlängelten wir uns dann erneut an den allgegenwärtigen Polizeikräften und etlichen Demonstranten vorbei. Zum Glück trugen wir nur Rucksäcke und keine Plakate oder Gefährlicheres mit uns, sodass uns die Ordnungshüter an den neuralgischen Punkten wohlwollend passieren ließen. Schön war’s miteinander, anstrengend zwar, aber doch lohnend.

Herzlichen Dank an alle Beteiligten für den reibungslosen Ablauf, an die Schulleitungen von E.T.A., KHG und FLG für ihre Unterstützung, an die Eltern/Mütter/Betreuerinnen für ihr Vertrauen und vor allem an alle, die sich als Begleitpersonen zur Verfügung gestellt oder im Vorfeld Übersetzungs- und Organisationsarbeit geleistet haben sowie an unsere großartigen Übersetzer/innen, ohne die das Ganze kläglich gescheitert wäre.
Schon jetzt herzliche Einladung zu einer neuen Fahrt nach Pfingsten (Nürnberg ist derzeit im Gespräch), verbunden mit der Bitte um tatkräftige Unterstützung von allen Seiten!

(Angela Kestler)