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Gymnasium Bamberg

Taizé-Fahrt 2015

Ein erster Blick von außen
Taizé – Tausende von Jugendlichen in einer Zelt- und Barackenstadt zwischen den verschlafen wirkenden Örtchen Taizé und Ameugny, umgeben von einer traumhaften burgundischen Landschaft, sanfte Hügelketten, grüne Weinstöcke, grasende weiße Kühe, zauberhafte rosa-blaue Morgenstimmung und romantische orange-rote Sonnenuntergänge … (klingt wie aus einem Werbeprospekt)
Taizé – im Hochsommer deutlich verbrannt von der Hitze, der Boden steinhart und jedem Zelthering ein Gräuel (viele haben sofort kapituliert), das Wasser bei der Quelle fast ausgetrocknet und einer Wüstenlandschaft gleichend, manche Nächste sternklar und eiskalt, ein ständiger Wechsel von Sonne, Wolken, Wind und leichtem Regen, gewöhnungsbedürftige sanitäre Verhältnisse und einfachstes Leben weit unter jedem Jugendherbergs-Standard …(klingt doch etwas negativ)
Taizé – überall fröhliche Menschen, ansteckendes Gelächter, spontane Spielfreude, Musik und Tanz selbst beim Abwaschen, Abfallsammeln und Putzen, Gespräche in vielen verschiedenen Sprachen, meist in „Taizé-Englisch“, das fast jeder versteht (nur die Muttersprachler haben manchmal ihre Schwierigkeiten …), Freiwillige für jede Art von Arbeit, die gemeinsam auch noch Spaß macht, ein volles Gotteshaus mit Tausenden von Besuchern dreimal am Tag, die gerne kommen, an den Eingängen Schlange stehen und nach Ende der Gebete oft noch stundenlang bleiben, Brüder oder Priester zum Zuhören finden, Lieder anstimmen, in der Stille ihre Mitte oder einfach nur Ruhe suchen … (klingt unrealistisch, ist aber wahr)

Ein zweiter Blick aus Bamberger Sicht
Wie jedes Jahr waren die Eindrücke auch 2015 in Taizé bunt und vielfältig: Für uns 77 Bamberger gab es leider immer noch „kein 5-Sterne-Menü“ und „keine eigenen Minikühlschränke“, das Essen war nach den Vorwarnungen für einige „richtig lecker“ und „kulinarisch wertvoll“ (vor allem die Kekse und „das beste Frühstück auf der ganzen Welt“), für andere eher weniger (Stichwort „Tauschgeschäfte“, Chips am Nachmittag); die „Nightguards“ (im Taizé-Jargon: „Night-Welcome“) scheinen strenger (?) geworden zu sein, wichtigster Ort neben der Kirche und den Waschräumen (beides mit Steckdosen zum Aufladen der Handys …) war wie immer das OYAK („Wir gehen Oyak – tolle Stimmung, tolle Preise, tolle Menschen!“), eine Mischung aus Kiosk, Imbissbude und Partymeile auf dem Hügel, allabendlicher Treffpunkt der Massen mit taubenförmigem Kreuzanhänger um den Hals, auch der Bamberger „Fraktion der grünen Armbänder“ mit dem Aufdruck „Taizé-Fahrt 2015 + E.T.A. Bamberg“, internationales Ambiente mit Gästen aus allen Kontinenten trotz sehr vieler Deutscher gerade bei den 15-/16-Jährigen („Where are yo from?“ – „Germany“ – „Of course.“) …
Für die meisten Neulinge war der erste Eindruck am Sonntag zunächst noch eher unbefriedigend („Ich will heim!“, „Iiiiih“ und „Wäh“), da an den An- und Abreisetagen wie immer der Putzdienst fehlte (dementsprechend sahen die Sanitäranlagen aus). Auch den Zeltplatz durften wir entgegen der sonstigen Praxis wegen übereifriger Empfangshelfer im Jubiläumsjahr erst am Nachmittag in Beschlag nehmen (im nächsten Jahr wird es wieder besser, versprochen, ich habe schon mit einigen Brüdern geredet …), der Zeltaufbau zog sich dann für manche bis in den ersten Regen hinein. Mit dem ersten Abendgebet und dem folgenden Oyak-Besuch („Oyak! Bis in die Nacht!“) wurde es dann schon etwas besser, mit der Einteilung in international gemischte Kleingruppen nach der Bibeleinführung am nächsten Tag ging es weiter aufwärts, erste (internationale) Freundschaften wurden geknüpft, das Essen steigerte sich nahezu täglich, wurde richtig würzig (z. B. das Chili oder die Rosmarinwürstchen) und bei Sonnenschein flimmerten fast paradiesische Züge über die Zeltstadt. Bis zum Abfahrtstag gab es einen Anstieg des Stimmungsbarometers bis hin zur völligen Begeisterung, ein „tränenreiches Ende“ war fast schon vorprogrammiert: „Was? Schon vorbei?“, „Ich will noch nicht gehen!“, „So schön hier!“, „Nächstes Jahr wieder!“, „We love Taizé!!!“
Natürlich „nervten“ aus Schülersicht die täglichen „Abhakaktionen“ auf den Teilnehmerlisten, sei es kurz vor dem Abendessen oder nachts „bettfertig“ vor dem Schlafengehen, ebenso die Ermahnungen zur Pünktlichkeit (übrigens auch uns als Betreuer). Aber solche kleinen organisatorischen „Unannehmlichkeiten“ sind es, die der Gruppe insgesamt die vielen, vielen Stunden an Freiheit und Selbstbestimmung während des gesamten Aufenthalts ermöglichen (oder möchte jemand stattdessen die „Horrorvorstellung“ eines täglichen Weckdienstes mit „Gänsemarsch“ der Gruppe unter Aufsicht in die Kirche?)
Neu, spannend und außergewöhnlich waren in diesem Jahr die vielen Workshops in den Kunsthandwerkstätten und die Ausstellung des Kunstprojekts „ARTtogether“, die auf dem Gelände „Wanagi Tacanku“ angeboten wurden – mit Beiträgen aus Afrika (z. B. Upcycling, Korbflechten), Asien (z. B. Weben, Chinesische Schriftzeichen), Europa (z. B. Werke behinderter Menschen, Spielplatz aus upgecyceltem Material), Nordamerika (z. B. Bad Art), Südamerika (Kunst aus Abfallgegenständen, textile Kunst) und Ozeanien (bemalte Steine).
Nicht neu, aber auf neuem Gelände und unter neuem Titel („Music in the field“) fanden nach dem Tee interkulturelle Treffen statt, wo Jugendliche z. B. aus Weißrussland, aus der Ukraine und aus anderen Ländern (durch die vielen Freiwilligen, die mehrere Monate oder ein Jahr lang bleiben) ihre Heimat mit Musik und Tanz vorstellten. Daneben gab es Workshops verschiedenster Art: „Was sagen Wirtschaft und Theologie zur Frage der Schuld/en“ (mit einem Mitglied des Europäischen Parlaments und einem Bruder), „Wo können wir Glück finden?“, „Zu Gast in Asien. Erfahrungen Jugendlicher auf der Reise durch diesen Erdteil“, „Wie können Christen und Moslems heute zusammenleben?“, „Eine humanere Medizin? Begegnung mit einem Arzt aus der Nähe von Taizé“, „Treffen mit Jugendlichen, die in Taizé als Freiwilige leben“ (in diesem Jahr u. a. der französische Vizemeister im extremen Einradfahren), „Kann man auch mit fast nichts kreativ sein?“, daneben gab es Informationen zu den internationalen Treffen in Cotonou (Benin) oder dem europäischen Treffen in Valencia (Spanien), gemeinsame Überlegungen zum Nachwirken von Taizé auch im Alltag sowie weitere spirituelle Angebote der Stille und des persönlichen Gesprächs mit einem Bruder oder einer der Schwestern, die auf dem Hügel mithelfen, auch ein Pilgerweg mit der Bibel zur Quelle wurde unternommen … noch nie war das Angebot so reich und vielfältig!
Neu in der Kirche war die Barmherzigkeitsikone, die im Jubiläumsjahr (100 Jahre Geburtstag des Gründers Frère Roger, 75 Jahre Gründung der Communauté, 10. Todestag Frère Rogers) passend zu dem Jahresthema „Auf dem Weg zu einer neuen Solidarität“ einen strahlenden Christus im Mittelpunkt zeigt, umgeben von sechs Szenen aus dem Gleichnis des „barmherzigen Samariters“. Solidarisch zeigten wir uns auch, als beim Fußballspielen mit italienischen Jugendlichen eine Windschutzscheibe zu Bruch ging … für die Autofahrerin „das“ Taizé-Erlebnis.
Brandaktuell war die Premiere eines erst am Samstag in einer Rohfassung (französisch mit englischen Untertiteln) fertig gestellten Films unter dem Titel „Moments dans la vie de Frère Roger“ mit vielen bisher unbekannten Film- und Bildaufnahmen, der in der völlig überfüllten Baracke 15 präsentiert wurde – berührend vor allem die Aussagen über den Tod Frère Rogers.
Außergewöhnlich war auch der Besuch eines Filmteams mit drei riesigen LKWs bereits ab Freitag, das im Auftrag des TV-Senders „France 2“ die Eucharistiefeier vom Sonntag live übertrug, natürlich verbunden mit zahlreichen Sicherheitsvorkehrungen (auch in Taizé weiß man, dass es auf Erden keine „heile Welt“ gibt). Einfach mal im Internet suchen und miterleben (aktuell noch unter: http://www.lejourduseigneur.com/Replay/Dimanche-dernier, mit Doku über Frère Roger und Taizé).
Am besten verstehen kann man das alles freilich nur, wenn man selbst mit dabei ist, daher laden wir schon jetzt ein zu unserer nächsten Fahrt 2016 in der letzten vollen Schulwoche. Bis dahin mögen einige Stimmen „im Originalton“ der Teilnehmerinnen und Teilnehmer 2105 helfen, dem „Geheimnis von Taizé“ auf die Spur zu kommen.
Zitate aus den „Feedback-Bögen“ zu Taizé 2015

  • „ein Ort, wo man wirklich Stille findet“
  • „silence“ – nicht nur auf den Schildern
  • „ein Ruhepol, an den man fährt, um für eine Woche den ganzen Stress des Alltags, den man das Jahr über hat, vergessen zu können“
  • „es tat gut, fernab von jeder Zivilisation zur Ruhe zu kommen“
  • „Entspannung pur“
  • „ein entschleunigender Alltagsrhythmus“
  • „in Taizé sieht man, wie eine friedvolle Gesellschaft funktionieren kann“
  • „die Möglichkeit, neue Leute aus aller Welt und die eigenen Schulkameraden besser kennenzulernen“ („Where are you from?“/“You can come more closer!“)
  • „ein Platz, wo man außergewöhnliche Menschen trifft, die einen vielleicht sogar damit anstecken“
  • „internationale Freundschaften“
  • „andere Kulturen kennenlernen“, „kunterbuntes Miteinander“
  • „Diskussionen über internationale Themen“
  • „ein Zusammenwachsen der Mitfahrer“
  • „gemeinsames Singen zur Gitarre“
  • „Spielen in der Gruppe“ (Frau Lechner: „Wo ist mein Huhn?“)
  • „einzigartiges Gemeinschaftsgefühl“
  • „alle Leute sind offen und freundlich“
  • „ein Urlaub für Geist und Seele, die manchmal viel zu kurz kommen“
  • „das Beste sind die Gebete und Gottesdienste“
  • „die Gottesdienste waren wunderschön und sehr berührend, noch nie habe ich so viele Menschen voller Zuversicht beten und singen hören“
  • „Einfachheit“
  • „Freude vor jeder Mahlzeit“
  • „unvergessliches Erlebnis“, „tolle Fahrt“
  • „eine Atmosphäre der Liebe“ („Wer hat die meisten Herzen auf der Essensmarke?“, „Free hugs“)
  • „guter Spirit“, „gegenseitige Hilfe“ („I need ten volunteers …“)
  • „jeder engagiert sich für die Gemeinschaft“ („What shall we do with the dirty toilets …? Clean them ….“/ Do you want to clean the toilets? And the bathroom and the floor?“)
  • „Taizé ist ein MUSS!“
  • „Wir sind nächstes Jahr mit Sicherheit wieder dabei!“

(Text und Fotos: Angela Kestler)