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Gymnasium Bamberg

Zwiefalt - Die nicht gezeigte Ausstellung

Die nicht gezeigte Abschlussausstellung der Oberstufe
Coronabedingt ins Wasser gefallen ist in diesem Jahr die Abschlussausstellung künstlerischer Arbeiten der Oberstufe. Dabei war heuer etwas Besonderes geplant, nämlich eine „Doppelschau“ an zwei Orten. Neben dem Schulgebäude sollte insbesondere die Stephanskirche in ihrem 1000-jährigen Jubiläumsjahr Ausstellungsort werden, wofür die Kunstkurse seit zwei Jahren Arbeiten erstellt hatten und die Schau gemeinsam mit dem Pfarrer von St. Stephan, Herrn Dr. Schneider, geplant worden war. Entstanden waren viele unterschiedliche Arbeiten, in denen sich die Schüler mit dem Gebäude, der Geschichte oder ganz allgemein mit Fragen des Glaubens auseinandergesetzt haben. Auch der Ausstellungstitel und die dazugehörige Eröffnungsperformance standen schon fest. „ZWIEFALT“, ein altertümliches, in früheren Jahrhunderten durchaus gebräuchliches Wort, das heute kaum mehr im alltäglichen Sprachgebrauch Verwendung findet, war in unserem Fall eine Wortschöpfung, die aus der Verbindung der Begriffe „Zwiespalt“ und „Vielfalt“ entstanden ist. Vielfalt bezieht sich auf die unterschiedlichen Ausdrucksformen und Techniken, Zwiespalt kann als Leitgedanke ausgemacht werden, der in vielen Themen und Arbeiten zu finden ist, die in der Kirche gezeigt worden wären.

Nur einige Beispiele:
Flucht: Amelia Rubin hat sich mit dem in St. Stephan hängenden, barocken Gemälde von Giacomo Farelli aus dem 17. Jhd. auseinandergesetzt. Es zeigt das klassische Thema „Flucht nach Ägypten“. Amelia hat ein plastisches Ensemble geschaffen. Sie hat Maria aus dem Bild heraustreten und real werden lassen. Als dreidimensionale Figur besteigt sie nicht wie im Bild einen Kahn, sondern ein zeitgenössisches Schlauchboot, das in seiner typischen Form den Rettungsbooten für Flüchtlinge nachgebildet ist. Das Meer besteht aus Zeitungsmeldungen zum Thema. Damit stellt sie die Frage wie wir uns heute positionieren. Wer würde sich nicht für die Rettung von Menschen in Not aussprechen, Menschen, die vor Krieg flüchten, Menschen die im Meer ertrinken würden? Aber die Frage, wie damit ganz konkret umzugehen ist, führt zu zwiefältigen Antworten.
Luther: In einer evangelischen Kirche darf natürlich einer nicht fehlen: Catharina Döring hat ein plastisches Porträt Luthers aus gebranntem Ton geschaffen, besser: ein Halbporträt. Eine, die Außenseite golden glänzend, die Innenseite tiefschwarz von Ruß bedeckt. Es zeigt Luther als die zutiefst zwiespältige Figur, die er war. Auf der einen Seite der charismatische Reformer, der es wagte dem Papst heldenhaft zu trotzen, auf der anderen Seite der Mann, der mit seinem Wirken einen Flächenbrand verursachte und ein fürchterliches Gemetzel. Sowohl bei seiner Auflehnung, als auch bei den Folgen, die diese auslöste, war Luther ein Mann, der nicht nur mit der Kirchenobrigkeit, sondern vor allem auch heftig mit sich selbst kämpfte.

Steinigung: An der Decke sehen wir, zentral positioniert, die in Stuck ausgeführte Steinigung des heiligen Stephan. Leonie Hauser hätte schwere, weiß gefärbte Steine im Kirchenraum – quasi als Stolpersteine – platziert, so als ob sie aus der Decke heraus auf die Kirchenbesucher geschleudert worden wären. Stephan war bereit für seinen Glauben zu sterben. Wie fest ist der Glaube eines heutigen Kirchenbesuchers? Wie weit ist er bereit, für seine Überzeugungen zu gehen? Ergänzend zur Installation im Kirchenraum wäre das auch das von Leonie gebaute Modell (Abb.) zu sehen gewesen.

 

Umwelt: Max Frisch schrieb einst den Roman „Der Mensch erscheint im Holozän“ (zwar historisch falsch, aber im Kontext der Geschichte erklärbar). Vielleicht verschwindet der Mensch im „Plasto-zän“? Noreen Kliebisch, Catharina Döring, Regina Linzmayer und Ruth Gerner haben in Gruppenarbeit den im Müll ertrinkenden Menschen in Form einer großformatigen Objektmontage dargestellt. Wie gehen wir mit der Welt, oder um es für den geplanten Ausstellungsort passender zu formulieren, mit der „Schöpfung Gottes“ um? Wie verhalten wir uns – jeder Einzelne kann sich da an die Nase fassen – tagtäglich? Der Geist ist willig, aber das Fleisch häufig faul! Im Supermarkt besser doch den schon geschnippelten, schon gemischten Salat nehmen – in Plastikverpackung, halt schon praktisch. Wieder die eigene Tasse nicht dabei, weil umständlich und abspülen muss man sie auch noch. Also wird es doch wieder der bequeme Coffe-to-go-Becher.

 

Ob, wann und in welcher Form evtl. eine Ausstellung der Arbeiten in St. Stephan noch möglich sein wird, ist derzeit völlig offen – und hängt vor allem von einer Sache ab: Corona! Das Virus erweitert unsere Problemliste in unerwarteter Weise und erzeugt eine ganz neue, äußerst zwiefältig erlebte Situation.

Neben den Arbeiten zum Kirchenjubiläum seien noch einige andere Themen genannt, die in der Schule ausgestellt worden wären:
Als Kommentar zur düsteren Situation könnten durchaus die großformatigen Malereien des Additums Kunst zum Thema „Nacht“ gelesen werden. Seit jeher erzeugt die hereinbrechende Dunkelheit beim Menschen zwiefältige Gefühle. Die Nacht ängstigt, denn im Schutze der Nacht treiben „finstere Gestalten“ ihr Unwesen, geschehen Verbrechen. Gleichzeitig ist es die Zeit der Ausschweifungen und der Träumereien.

In der Kopierwerkstatt beschäftigten sich die Teilnehmer*innen des Additums mit den Möglichkeiten der Ölmalerei. In feinsten Abstufungen und Vermalungen entstanden unter dem Titel „wirklich abstrakt“ Studien nach einer Vorlage des Künstlers John Clem Clarke, quasi ein doppeltes Trompe-l’œil (Augentäuscherei). Der Künstler hatte in den 70er Jahren in hyperrealistischer Manier abstrakte Bilder gemalt, die aus entsprechender Distanz wie „echte“ Abstraktionen wirken.

Zum Europäischen Wettbewerb 2020 entstanden im Additum in der aufwendigen Drucktechnik der Aquatinta-Radierung Arbeiten, die sich mit unterschiedlichen europäischen Themen beschäftigten. Wahrscheinlich wären sie preisverdächtig gewesen, leider war es aber nicht möglich, die Drucke termingerecht fertigzustellen. So konnte der Abgabetermin nicht eingehalten werden.

Auch im regulären Kunstkurs entstanden viele interessante Arbeiten. So etwa die oben beschriebenen Objektmontagen oder moderne Vanitas-Stillleben, in denen Gegenstände in subtiler Symbolik ebenfalls Klimawandel und Umweltvermüllung thematisiert wurden.

Im Architektursemester versuchten sich die Schüler*innen an einem ungewöhnlichen Thema. Im Modellbau entstand keine üblicher Architekturentwurf, sondern jeweils ein „Selfportrait as a Buildung“.
Das Gebäude sollte durch die Gestaltung und Anordnung von Räumen die Persönlichkeit des Autors zum Ausdruck bringen.

Im Letzten Semester widmete sich der Kunstkurs u.a. der Abstraktion. Ausgangspunkt war das Landschaftsbild „Die Flussebene des Arc“ von Cezanne, dem großen „Vater“ der modernen Malerei. Wo Cezanne aufhörte, gingen die Schüler noch einen Schritt weiter und übersetzten das abstrahiert gestaltete Vorbild in eine abstrakte Version.

Im W-Seminar Kunst, dessen Rahmenthema „Design“ lautet, entstanden eindrucksvolle Werke der insgesamt acht Teilnehmer. Dabei setzten sich die Schüler im Einzelnen mit verschiedenen Sparten des Designs auseinander und entwarfen für ihre jeweiligen individuellen Thematiken unterschiedliche Objekte. Beispielsweise im Bereich des Architekturdesigns handelt es sich um Modelle von Gebäuden, einerseits als luxuriöse Einfamilienvilla in Hanglage oder andererseits als nicht ortsgebundenes Tinyhouse. Im Bereich der Innenarchitektur/des Möbeldesigns wurde ein Modell eines wandelbaren Sofas gebaut. Weiter wurden mehrere Kollektionen für Trachten-Schmuckstücke aus ungewöhnlichem Material (Beton) erstellt. Ebenso im Bereich Mode wurde eine Kindertracht in Anlehnung an eine traditionelle Tracht aus Albanien angefertigt. Die Zielgruppe kleiner Kinder wurde mit einem Prototyp eines Brettspiels bedient. Die Frage, wie uns das Essen in Menükarten oder in Rezepten fotografisch schmackhaft präsentiert wird, wurde anhand experimenteller Bildbeispiele im Bereich des Food-Designs untersucht. Zu guter Letzt beschäftigte sich eine Schülerin mit Lampendesign und stellte mit ihrer entstandenen E.T.A.- Lampe einen direkten Bezug zu unserer Schule her, was sicherlich symbolisch als eine persönliche Verbindung und hoffentlich positive Erinnerung zur eigenen, nun zu Ende gehenden Schulzeit betrachtet werden kann.

Viele, Skizzen, Studien, Entwürfe und freie Arbeiten, etwa aus den Skizzenbüchern und Portfolios, die die Ausstellung bereichert hätten, können an dieser Stelle nicht angemessen gewürdigt werden. Einige Beispiele wurden als Abbildungen in die virtuelle Schau aufgenommen. Sie möge insgesamt wenigstens auf diesem Weg einen Eindruck von dem vermitteln, was heuer leider nicht realiter gezeigt werden konnte.

Bericht/Fotos: B. Schaible, G. Jacob