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Gymnasium Bamberg

"Make Canterville Great Again!"

 

Dass Gespenster nicht immer furchteinflößend sind, sondern durchaus leiden können und Mitgefühl verdienen, wurde den zahlreichen Besucherinnen und Besuchern der Aufführung des Kurses „Theater und Film“ der K12 in äußerst unterhaltsamer und beeindruckender Weise durch das Theaterstück „Das Gespenst von Canterville“ vor Augen geführt. Der Kurs hatte sich Oscar Wildes Erzählung „The Canterville Ghost“ aus dem Jahr 1887 als Grundlage genommen und daraus eine eine eigene, modernisierte und mit Anspielungen auf die Gegenwart gespickte dramatische Version geschrieben, die es in sich hatte und die in drei begeisternden Aufführungen an einem ganz besonderen Ort, der Schulkapelle, dargeboten wurde.

Im Stück geht es (wie in Wildes Erzählung) darum, dass das ehrwürdige englische Schloss Canterville an eine amerikanische Familie verkauft wird, was zu einigen Problemen mit dem im Schloss seit Jahrhunderten beheimateten Schlossgespenst führt. Irgendwie wurde das Unheil bereits von Anfang an heraufbeschworen, als sich die drei englischen Ladys, herrlich britisch-distinguiert dargestellt von Johanna Kröhl, Jona Neuberg und Noam Herzog, in Anlehnung an die drei Hexen in Shakespeares Macbeth darüber unterhalten, dass sie sich das nächste Mal im Schloss treffen würden, wo ein Unglück erwartet wird. Dieses wird dann postwendend vorbereitet, denn wir werden ins Schloss mitgenommen, wo der von Noam Herzog wirklich mit nötigem Understatement und englischer Noblesse gegebene Lord Henry seiner Haushälterin, Miss Umney, gerade erklärt, dass er das Schloss verkaufen werde, und zwar an einen amerikanischen Investor, der immerhin einen kultivierten Eindruck mache, „soweit man das von Amerikanern behaupten kann.“ Mit Abscheu erzählt er, dass Mr. Otis aus dem Schloss unter dem Schlagwort „Make Canterville Great Again!“ ein Spielcasino machen wolle  – „Britain’s First American Casino“. Lord Henry wird das Schloss verlassen müssen, doch Miss Umney, die hier wie auch später noch hingebungsvoll entsetzt und mit großem Talent zur Komik von Hannes Pieger gespielt wird, nimmt sich vor zu bleiben, im Schloss aber sicherlich keine Hamburger zuzubereiten. An dieser Stelle tritt nun Sebastian Losgar als Erzähler auf, ganz unterhaltsamer Conférencier, galant und mit schöner Diktion. Er berichtet dem Publikum von der beschwerlichen Anreise der Amerikaner, die wegen eines dämlichen Magnolienbaums nicht mit dem Helikopter landen konnten. Und da sind sie auch schon:  Mr Otis (der nicht zufällig „J.R.“ genannt wird) behandelt das Schloss bereits als sein Eigentum. Elias Maximtschuk geht auf in der Überheblichkeit und Ignoranz des Amerikaners, der – warum auch immer – eine nahezu orangene Hautfarbe aufweist. Begleitet wird er von seiner nicht minder kulturfremden Frau – manchmal beinahe hysterisch, immer aber mit einem Hauch Arroganz von Anna Stumpf sehr glaubwürdig dargestellt - , die Lord Henry einfach „Mr. Lord“ nennt. Die kleinen Kinder Ted und Bob (abwechselnd wunderbar aufsässig und lebhaft von Eva Fellner, Jette Heid und Stella Seitz verkörpert) spielen in den ehrwürdigen Hallen Cowboy und Indianer, während sich die große Tochter im Tennisröckchen etwas gelangweilt umsieht. Alexa Kraus gibt diese Virginia Otis zu Beginn schön blasiert, später wird sie durchaus Charakter entwickeln. Lord Henry versucht noch mit dem Hinweis, dass es im Schloss ein Gespenst gebe, Mr. Otis vom Kauf abzuhalten, doch der ist nur an dem Deal interessiert.

Die Familie bevölkert – sehr zum Unwillen von Miss Umney – das Schloss und gestaltet es mit goldenem Stoff, Softdrink-Bechern und Trump-Mützen neu, ohne sich um die Geschichte des Ortes zu kümmern. Als sie einen Blutfleck auf der Treppe entdecken, blickt der Erzähler auf dessen Geschichte zurück: Lady Audrey de Canterville hatte hier nämlich vor 200 Jahren ihren an Spielsucht leidenden und Haus und Hof verspielenden Mann Lord Simon im Streit die Treppe hinabgestoßen, wo er unglücklich fiel und starb. Die Amerikaner haben natürlich eine Lösung für den Fleck – einen Fleck-Weg-Stift. Das wiederum erzürnt (wie von Mrs Umney großäugig und mit herrlicher Mimik vorhergesagt!) das Schlossgespenst, das daraufhin nachts erscheint. Rommy Bayer lebt sich in dieser Rolle richtig aus, tobt, spukt und schimpft über die Ignoranz der neuen Besitzer, dass es eine Art hat: „Ich werde mich rächen und mein Fleck wird überdauern!! Jetzt wird gespukt!!“ Und sie erneuert den Fleck natürlich. Es beginnt eine Passage von großer Komik, als die Familie tagtäglich den Fleck wegwischt und das Gespenst ihn nachts immer wieder nachmalt, bis die Amerikaner tatsächlich langsam begreifen, dass es hier spukt. Das bestätigen auch die Nachbarinnen, die drei britischen Ladys vom Beginn, die sich gemeinsam mit einem jungen Herrn, Lord George, zum Tee einladen. Erneut sorgen die sorgfältig auf der Bühne dargestellten kulturellen unterschiede zwischen den Briten und Amerikanern für viel Situationskomik. Virginia Otis findet allerdings Lord George, der von Emma Müller sehr smart und elegant verkörpert wird, von Beginn an recht interessant – und fällt gleich mal publikumswirksam in Ohnmacht, um sich von ihm wecken zu lassen.

Das mit dem Spuken klappt für das Gespenst Lady Audrey nicht so ganz: Als sie nachts auftaucht, macht sich Mr Otis über die im Vergleich zu Hollywood armseligen Special Effects lustig und empfiehlt gegen das Kettenquietschen Schmieröl, Mrs Otis rät dem Geist zu einem Schlafmittel gegen den nächtlichen Umtrieb und die Kinder verfolgen das Gespenst als Ghostbusters. (Dabei sind die Special Effects in der Kapelle wirklich toll – mit viel Liebe wurden hier Bühnenbild sowie Licht und Ton für die Inszenierung einer echt beeindruckenden Spukumgebung vereint).

Virginia nähert sich inzwischen Lord George an, und gemeinsam suchen sie das Gespenst in seiner Gruft auf, wo Victoria die arme Lady Audrey derartig mit Fragen löchert, dass es erst einmal eine Pause gibt. Doch auch nach der Pause wird es nicht einfacher für Lady Audrey, die von Rommy Beyer in zunehmender Verzweiflung dargestellt wird: Die Kinder verjagen das Gespenst, es traut sich nicht mehr raus und benutzt schon das Schmieröl um nicht gehört zu werden. Zudem geht die Farbe für die Erneuerung des Blutflecks aus – da muss auch mal Grün aus Virginias Farbkasten herhalten, worauf die Familie überzeugt ist: „Das Gespenst spinnt vollkommen!“ In diesem Augenblick tiefster Selbstzweifel offenbart Audrey sich Virginia, die von Alexa Kraus inzwischen sehr mitfühlend gespielt wird. In einem Rückblick (geniale Idee: Johanna Kröhl und Jona Neuberg führen die Handpuppen für die Rückschau) erklärt Audrey, wie es zu der Tötung des Gatten gekommen ist, und nun geschieht etwas Verblüffendes: Der so selbstsichere Erzähler offenbart sich als der getötete Lord Simon, und plötzlich wird Sebastian Losgar ganz ernsthaft: Er ist im Schloss geblieben, um Audreys willen, damit sie endlich von den Schuldgefühlen ihm gegenüber erlöst wird und mit dem Spuken aufhören kann. Gemeinsam mit Virginia und George entwickeln sie einen Plan, um das Schloss zu retten, denn, so drückt es Emma Müller als George sehr treffend aus: „Ein Haus ist nicht einfach ein Besitz – es ist ein Hüter der Geschichte, und wer darin lebt, ist nur ein Gast auf Zeit.“ Und so stören sie gemeinsam den Casino-Testbetrieb von Mr Otis mit gewaltigem Spuk – erneut ein Augenschmaus, wie Lichttechnik, Ton und Bühnenbild hier eingesetzt werden. Bis Mr Otis schließlich erkennt, dass Schloss Canterville kein Ort für Gier und Täuschung ist. Er wird es dem Lord zurückgeben und die Casino-Idee begraben. Canterville ist eben auch ohne sein Zutun bereits „Great“. Selbst, wenn die Zeit für die beiden Gespenster, Audrey und Simon, nun vorüber ist und sie am Ende des Stücks die Szenerie verlassen.

Das Besondere an dieser Inszenierung sei der Ort, die Schulkapelle, so sagen manche. Das Besondere sind aber vielmehr die Spielfreude, der Ideenreichtum, die beeindruckende Schauspielleistung und der Teamgeist des Kurses, mit dem die Truppe die Schulkapelle in ein Spukschloss für alle Sinne verwandelt hat. Unterstützt wurden sie dabei von der minutiös eingerichteten Technik (Noah Kießling, Sebastian Losgar, Julian Löffelmann, Jakob Hannusch), die es in den richtigen Augenblicken blitzen und donnern ließ und die Kapelle in unterschiedlichste Stimmungen versetzen konnte. Nicht minder half die Maske (Luise Müller-Kuller und Patricia Söllner) die Charaktereigenschaften der Figuren hervorzuheben. Und schließlich sei der Leiterin des Kurses, Christina Morcinek, gedankt, die das Schreiben, die Proben, das Bühnenbild und die gesamte Inszenierung nicht nur begleitet, sondern durch ihre erfahrene Mischung aus Begeisterung und Anspruch zu einer Professionalität geführt hat, die beeindruckend war. Applaus!

T: Martin Stübinger

B: Hannes Nordmann