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Gymnasium Bamberg

„Es muss von Herzen kommen...."

 

„Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll“ (Goethe)

Achtklässler des E.T.A. Hoffmann-Gymnasium bringen „Das kalte Herz“ nach einem Märchen von Wilhelm Hauff auf die Bühne – eine beeindruckende Inszenierung

 

„Geld regiert die Welt“, heißt es in einem alten Sprichwort. Und die Popgruppe ABBA interpretiert diese These mit ihrem Song „Money, Money“ auf eigene Art und Weise. Und dieser dient als musikalische Hintergrundmusik zur Eingangsszenerie der Bühnenadaption eines romantischen Märchens, in der es um Herzlosigkeit, mangelnde Empathie, Geldgier, soziale Abgründe, gesellschaftliche Spaltung und vieles mehr geht, was auch heute noch sehr aktuell anmutet.

Gewitter erfüllt den Raum. In der Wirtstube ist die Dorfgemeinschaft versammelt, die ob des Sturmes wohl auch ein bisschen besorgt ist. Die treuen Freundinnen Laurenzia, Christel und Grete – einfühlsam, authentisch und ängstlich gespielt von Lucy Droll, Maya Ossade und Merle Riemer – warten auf die Müllerstochter Lisbeth, die sich trotz des Unwetters draußen aufgehalten hat. Theresia Schilling wird diese facettenreiche Rolle während des ganzen Abends ehrlich, mit klarer Diktion und Mimik auf die Bühne bringen. Sie weiß nichts vom Holländermichel, einem weniger freundlichen Waldgeist, der bei solchem Wetter gerne sein Holz macht und in dunkle Machenschaften verwickelt ist. Später wird man erfahren, dass er sich die Herzen von Menschen erkauft, indem er diesen Macht und finanziellen Reichtum schenkt, aber gleichzeitig die Nächstenliebe und wirkliche Freude am Leben nimmt. Tobias Voll geht in dieser düsteren Figur voll und ganz auf, begeistert mit seiner rauen Stimme und seinem nuancenreichen Spiel.

Aber gehen wir zurück ins Wirtshaus. Justus Widmer gibt den Inhaber der Gaststätte, der letztendlich nur auf den eigenen Gewinn und sein eigenes Fortkommen aus ist. Gefälligkeiten kann man von ihm nicht erwarten. Er ist um des Geschäfts Willen freundlich, kann aber auch ausrasten, wenn die Zeche nicht gezahlt wird. Seine Bedienung Marie dagegen ist die gute Seele der Kneipenrunde, die von Ella Nordmann ansprechend und einfühlsam dargestellt wird. Leicht hat sie es mit den Kunden nicht, vor allem wenn die Würfelspieler im Raum sind, die sich für ihre Mitmenschen nicht interessieren. Da ist einerseits die Bürgermeisterin Schlurker (Ida Harrer spielt hier sehr bürgermeisterlich), Ezechiel vulgo Emil Seniuk, der den reichen, geizigen Holzhändler mit großer Klasse realistisch auf die Bühne bringt und der schicke, junge Mann Hannes, den Anton Franz zurecht als einfältigen, wenig gefühlvollen und an seiner Umgebung wenig interessierten Neureichen interpretiert. Später wird das Publikum erfahren, dass alle drei ihr Herz an den Holländermichel verkauft haben.

Nunmehr lernen wir Peter Munk kennen, einen armen Kohlenhändler, der tagaus und tagein schuftet, wenig Geld verdient, aber befürchtet, dass er seine Lisbeth, die auch nicht auf Rosen gebettet ist, wegen seines niedrigen sozialen Status nicht als Frau haben kann. Ada Müller geht in der Hosenrolle auf, zeigt Gefühle und Unsicherheiten sowie das mangelnde Selbstbewusstsein Peters. Seine herzliche Lebenseinstellung hat er seiner Mutter zu verdanken. Laura Postler, die diese Rolle ruhig und schön mütterlich spielt, wird ihn in allen Höhen und Tiefen treu begleiten, auch wenn der Sohn sich später von ihr abwenden wird. Der arme Munk erinnert sich an die Geschichten seiner Mutter, nach welchen die „Schatzhauser“, zwei freundliche Waldgeister, Sonntagskindern drei Wünsche erfüllen. Leni Föhrweißer und Klara Nemeth überzeugen mit klarem Spiel, verschmitzten Hintergedanken, machmal auch mit etwas Überheblichkeit gegenüber den Menschen und in wunderschönen Kostümen. Sie gönnen ihrem Peter zunächst zwei Wünsche, weil sie erkennen, dass dieser unbedacht und nicht an die Zukunft denkend vorgeht. So verliert er schnell wieder seinen neuen Reichtum und die Glashütte, welcher er sich zum Lebensunterhalt ausbedungen hat.

Und dann geschieht, was geschehen muss. In seiner Verzweiflung geht Peter Munk in einer schaurigen Gewitternacht zum Holländermichel, wohl wissend, dass man dies nicht tun soll. Er wird umgarnt, mit leeren Versprechungen beeinflusst und schenkt dem düsteren Zauberer sein Herz, bekommt dafür nur einen Stein, aber unglaublich viel Reichtum zurück. Frederik Schwarzenberger agiert als reicher Peter egoistisch, sozial abweisend und menschenverachtend im weißen Anzug und schwarzen Lackschuhen und betrachtet seine neue Partnerin – Lisbeth ist nun bei ihm – als wertloses Accessoire, dem man keine Wertschätzung entgegenbringen muss. Der nunmehr reiche Peter Munk will nur noch seinen Reichtum anhäufen, zeigt keine Barmherzigkeit und keine Gefühle. Er entfremdet sich von seiner Umgebung, die Angst vor ihm hat. Die Freudinnen und die Schwiegermutter besuchen Lisbeth nur, wenn diese alleine ist.

Eines Abends aber erwischt er alle bei seiner Frau, worauf er die Besucher hinaustreibt und im gewaltvollen Streit Lisbeth totschlägt. Tot liegt sie da und endlich kommt Peter Munk zur Besinnung spürt, dass er alles falsch gemacht hat, dass er die falschen Prioritäten im Leben gesetzt hat. Er eilt zum Michel, trickst diesen aus, um sein kaltes Herz gegen sein echtes zu tauschen. Und die Schatzhauser erbarmen sich seiner und schenken ihm den dritten Wunsch, so dass er daheim die lebende Lisbeth mit ihren Freundinnen und der Mutter antrifft. Der herzlose Munk ist nunmehr wieder der herzliche und hilfsbereite Mann, wir man ihn zu Beginn des Stückes kennenlernen durfte.

Ein fulminanter, abwechslungsreicher, zum Nachdenken anregender Abend geht zu Ende. Martin Stübinger als Impressario gelang wieder einmal – mit großer Unterstützung seiner Assistentin Ada Müller - in der tollen Kulisse der Nikolaus-Kapelle eine kluge und durchdachte Inszenierung mit vielen kreativen Regieeinfällen. Die Maskenbildnerinnen sorgten dafür, dass das Aussehen der Schauspielerinnen und Schauspieler der jeweiligen Rolle gerecht wurde. Josephine Zsigmond, Grete Staudigel und Mia Wieland bewiesen hier großes Können und Geschick. Und ohne das altbewährte Technik-Team würde die Aufführung nicht im rechten Licht erscheinen und der richtige Ton würde auch vermisst werden. Dank an Sebastian Losgar, Noah Kießling, Hannes Pieger und Alwin Hellwich. Der Theatersaal war voll besetzt, wohl auch weil Lucy Droll ein ausdrucksstarkes und ansprechendes Plakat gestaltet hat.

Ein schöner Theaterabend. Möge bald die nächste Inszenierung folgen.


Text: W. Metzner

Bilder: A.Nordmann