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Gymnasium Bamberg

Nachruf

 Oppelt

„Vor vielen Jahren, noch im alten Jahrtausend, hat man mich an das E.T.A versetzt. Es war weder mein Wunsch, noch habe ich mich dagegen gewehrt.“

So begann vor fünf Jahren Stephan Thienels Rede anlässlich seiner Ruhestandsver-setzung. Dass ihm diese Schule über die vielen Jahrzehnte zu einer echten Heimat werden sollte, konnte er noch nicht ahnen. Er war sich anfangs unsicher gewesen, ob man „mit einem Clavius-Abitur und als junger, ambitionierte Mathematik- und Physiklehrer auf dem Stephansberg adäquat untergebracht sei.“
Doch es sollte anders kommen und so zitiere ich nochmals aus seiner Rede 2019: „Seit zweiunddreißig Jahren sind mir diese Gedanken peinlich, denn genau das Gegenteil durfte ich erleben.“
Das, was er an Positiven erleben durfte, fiel aber nicht vom Himmel. Er machte sich selbst verdient um den manchmal vielleicht etwas strapazierten Begriff des „guten Geistes des E.T.A.“ - angefangen von seinem pädagogischen Selbstverständnis über einen inspirierenden Unterricht bis hin zu zahlreichen von ihm angebotenen Projekten. Eines sei hier besonders erwähnt, denn das war ihm eine echte Herzensangelegenheit: seine AG-Amateurfunk. Sie war ihm nicht deswegen wichtig, weil diese AG es mit viel Fleiß und Engagement geschafft hatte, dass das E.T.A. als Schule über viele Jahre hinweg erfolgreich an internationalen Wettbewerben teilnahm. Viel bedeutsamer als diese Auszeichnungen war ihm, dass sich von den über hundert Mitgliedern, auf die die AG über die Jahre kam, zahlreiche Absolventinnen und Absolventen für eine naturwissenschaftliche Ausbildung entschieden – und das weit vor allen MINT-Initiativen der Staatsregierung.
Auch im Physik-Studienseminar wurde er hoch geschätzt. 15 Jahre prägte er angehende Lehrerinnen und Lehrer, die inzwischen in ganz Bayern sein Verständnis von Physikunterricht, vor allem aber seine pädagogischen Grundsätze im Umgang mit uns anvertrauten jungen Menschen multiplizieren und damit in seinem Sinne weitertragen.
Neben seinem Engagement in und für seine Fächer Mathematik und Physik wurde Stephan Thienel aber vor allem wegen seines Charakters und seiner Vorbildfunktion geschätzt:
Es sei mir gestattet, dass ich an dieser Stelle nur ein persönliches Erlebnis stellvertretend für viele andere erzähle: Er kam einmal kurz nach Notenschluss am Schuljahresende bei mir vorbei und meinte, er habe eine Note übersehen und daher versehentlich nicht eingetragen. Nun müsse die Jahresendnote des Schülers wohl nach oben korrigiert werden. Sehr ungewöhnlich für einen Kollegen, der ansonsten sehr präzise arbeitete. Was ich aber erst bemerkte, als ich mir das Notenbild anschaute: Der Schüler hätte mit der ursprünglichen Jahresendnote das Klassenziel nicht erreicht. Als ich Stephan darauf ansprach, meinte er nur, das sei ihm gar nicht aufgefallen: „Ein Schelm, der Böses dabei dankt …“
Er war eben nicht nur Mathematiker und Physiker, sondern immer auch durch und durch Pädagoge, der sich im Zweifelsfall vor seine Schülerinnen und Schüler stellte. Eine Aussage aus seiner Rede in der Abschlusskonferenz 2019 macht das deutlich. Hier wandte er sich gegen die Klage so mancher Lehrkraft, die der Meinung war, dass man schon lange nicht mehr das gymnasiale Niveau habe wie noch vor einigen Jahren. Er äußerte sich dazu in der für ihm typischen Art: „Meine langjährige Erfahrung sagt mir: Die Schüler werden nicht dümmer. Es sind nur jedes Jahr neue, die anfangen.“
Auch ganz persönlich schätzte ich ihn sehr, denn er war mir seit dem ersten Tag am E.T.A. einer meiner Mentoren im Schul- und Seminarbetrieb, der mir bei Überlegungen hinsichtlich der Zukunft unserer Schule einerseits kritisch-konstruktiv, meist aber unterstützend-motivierend die Dinge auseinanderlegte, der mir wenige Male ordentlich die Leviten gelesen hat, mich aber meist – und das bis zuletzt - bestärkte in so mancher im Kollegium heiß diskutierten Frage.

Zum Schluss möchte ich nochmals kurz auf seine anfangs bereits zitierte Rede im Rahmen seiner Ruhestandsversetzung kommen:
Im Juli 2019 hat er auf die Frage, was er vermissen werde nach seinem letzten Arbeitstag, geantwortet, dass es neben den positiven Überraschungen, die ihm seine Schülerinnen und Schüler mit ihrer unglaublichen Kreativität bereitet hätten, vor allem die intensiven Gespräche mit allen an der Schulfamilie Beteiligten sein würden. Er unterstützte uns auch nach seinem Ruhestand als „Unterstützungs- und Förderlehrkraft“ in seinen Fächern, so dass der Austausch mit seinen Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräfte weitergehen konnte.

Dass nun diese Gespräche so abrupt und für immer enden, damit hatte an der Schule niemand gerechnet. Umso betroffener sind alle Mitglieder der Schulfamilie.

In der Traueranzeige der Familie war folgendes Zitat zu lesen: „Gute Menschen gleichen Sternen, sie leuchten noch lange nach ihrem Erlöschen.“

Vielleicht kann es zumindest ein kleiner Trost sein, wenn ich im Namen seiner ehemaligen Schülerinnen und Schüler sowie des gesamten Kollegiums sagen darf, dass Stephan Thienel in unserem Denken, das er beeinflusst hat, und in unserem schulischen Handeln, in dem sich sein pädagogisches und fachliches Selbstverständnis widerspiegelt, weiterlebt und sein Stern ganz gewiss noch lange leuchten wird an seinem E.T.A.

Zuletzt möchte ich mich an Dich wenden, lieber Stephan: Die Zeit, die ich mit Dir verbringen durfte, war für mich sehr wertvoll. Danke, dass Du auch mein Leben bereichert hast.

Deine Abschiedsrede vor fünf Jahren hast Du überschrieben mit Ade E.T.A. – Ich möchte nun schließen mit einem „Ade, lieber Stephan“.

Markus Knebel